Tomasz Wysocki: Niederschlesien gilt als die reichste Region Polens in Hinblick auf die Anzahl und Vielfalt der Steine, die in der Architektur verwendet werden. Kann man diesen Reichtum auch in Wroclaw sehen? Prof. Marek Lorenc: Baumonumente, für deren Bau Naturstein verwendet wurde, gibt es in Wroclaw Hunderte. Man muss dabei berücksichtigen, dass in der Zeit, als sie errichtet wurden, auch ein Teil der Region Oppeln gehörte zu Niederschlesien formal. Außerdem importierte man Steine aus deutschen oder tschechischen Gebieten, die heute unweit der polnischen Grenze liegen.
Professor Marek Lorenc vom Institut für Landschaftsarchitektur der Naturwissenschaftlichen Universität, Fot. Tomasz Walków
Heute ist das Angebot an Natursteinarten, die verwendet werden können, in der Tat sehr groß, vielfältig und umfangreich. Sie stammen überwiegend aus den Sudeten und dem Sudetenvorland. Diese Regionen charakterisieren sich durch einen sehr komplexen geologischen Aufbau. Die zweitnächste Region Polens in Bezug auf den Steinabbau sind die Karpaten, wo es viele Sandsteine gibt, eine weitere das Heiligkreuzgebirge, wo eine Sandsteinart gefördert wird, die man nirgendwo sonst findet.Kehren wir aber zurück nach Wroclaw zurück und machen einen Spaziergang durch die Brücken und Straßen, entlang an bekannten Bauwerken, bei denen Naturstein aus Niederschlesien verwendet wurde.- „Interessante Objekte sind die Brücken. Die Brücke Zwierzyniecki bildet etwa ein Beispiel der Verwendung des sehr charakteristischen roten Sandsteins aus Słupiec - Nowa Ruda, eines qualitativ sehr guten Natursteins. Sehen Sie nur, wie viele filigrane Bauschmuckelemente es dort gibt, die sich Klimm und Plüddemann ausgedacht haben und die bis heute erhalten geblieben sind. Es sind über hundert Jahre seit ihrem Bau vergangen und die Jugendstilverzierungen haben immer noch scharfe Formen, was am besten dafür spricht, wie widerstandsfähig und witterungsbeständig dieser Naturstein ist. Es ist ein Paradebeispiel für die Verwendung des Sandsteins aus Nowa Ruda“.
Brücke Zwierzyniecki, Foto: Tomasz Walków
Unter den Sandsteinarten besonders populär sind auch jene, die in der Nähe Bolesławiec, in Żerkowice, Wartowice, Warta Bolesławiecka, sowie in den Orten Czaple und Skała gefördert werden. Diese Natursteine sind aus Ferne erkennbar, schön, meistens gelblich. In Wroclaw wurden aus diesem Stein unter anderem der Eingang und das Portal im Gebäude NOT in der ul. Piłsudskiego errichtet. Es ist ein klassisches Beispiel eines prachtvollen Sandsteins und dessen perfekter Bearbeitung.
Gebäude NOT, Foto: Tomasz Walków
Aus dem gleichen Sandstein besteht der Brunnen „Kampf und Sieg“ am Pl. Jana Pawła II. Ebenso beliebt ist der helle, fast weiße Sandstein aus Radkowo, zu sehen als Verkleidung der Eingangsportale und Fassaden des Hauses Woiwodschaftsamtes, das am Oderkai zwischen den Brücken Grunwaldzki und Pokoju errichtet wurde.
Brunnen „Kampf und Sieg“, Foto: Tomasz Walków
Klimms Granitpfeiler
Niederschlesien ist ein riesiges Granitzentrum mit den bekanntesten Steinbrüchen in der Nähe von Strzelin und in Strzegom. Wie sehr unterscheiden sich diese voneinander? - „Vor allem durch das Muster und die Farbe. Der Granit aus Strzelin charakterisiert sich durch feine Kristalle, ist gräulich mit bläulichem Ton. Der Granit aus dem Fördergebiet Strzegom – Sobótka wiederum kennzeichnet sich durch grobe Kristallisierung und leicht gelblich-olivfarbene Schattierung. Bemerkenswert ist dabei jedoch, dass es in beiden Regionen sehr viele Steinbrüche gibt, deren Steine sich bezüglich ihrer Strukturcharakteristika und Farbgebung unterscheiden, sogar stark von den besonders typischen Arten abweichen.
In Wroclaw sind die verschiedenen Granitarten – darunter auch der Granit aus Strzegom – unter anderem vielerorts als Straßenpflaster zu sehen. Zu den originellsten Werken aus Strzegom-Granit gehören die Anfang des 20. Jh. nach Entwurf von Karl Klimm erbauten dekorativen Gedenk-Grenzpfeiler. Von den sechs, die vor 1945 vorhanden waren, sind nur drei und ein Fragment des vierten erhalten geblieben. Der Granit aus der Region Strzegom wurde auch bei der Errichtung der Fassade am Gebäude der heutigen Nationalbank in der ul. Lelewela verwendet."
Grenzpfeiler, Foto: Tomasz Walków
Der Granit aus Strzelin kommt in den Bauten Wroclaws seltener vor, aus diesem Material wurde allerdings beispielsweise die gesamte steinerne Aussichtsterrasse aus dem 19. Jh. in der Mitte der Brücken Młyńskie in Wroclaw gebaut. Ein interessantes Beispiel für die Verwendung von Granit bildet die Brücke Grunwaldzki. Sie ist mehrheitlich aus Strzegom-Granit errichtet, bei dieser Mehrheit handelt es sich allerdings um die Konstruktionsmasse, Sockel sowie sämtliche unterirdische Elemente auf beiden Ufern. Und was ist sichtbar? Dekorative Platten aus Granit aus dem Riesengebirge.
Brücke Grunwaldzki, Foto: Tomasz Walków
Dem letzteren begegnet man auch auf den Fassaden einiger Bauten, wie etwa am Hotel Lothus in der ul. Wita Stwosza. Mit diesem Granit waren auch die Wände der Unterführung Świdnickie verkleidet, besonders prachtvoll präsentiert er sich allerdings an der Wand der südlichen Unterführung unter dem pl. Dominikański, von der Seite des PZU-Gebäudes.Auf dem Gebiet Polens wird diese Granitart nicht mehr abgebaut. - „In kleinen Mengen wird es auf der tschechischen Seite des Riesengebirges gefördert. In der genannten Unterführung, auf dem pl. Dominikański, an der Seite des PZU-Gebäudes wird auch der Granit aus Przedborowa verwendet, feinkörnig, schwarz, allerdings handelt es sich bei dieser Natursteinart aus petrografischer Sicht um keinen Granit sensu stricto. Leider ist er in keinem guten Zustand, hat üble Verfärbungen, die auf den sauren Regen zurückzuführen sind. Am selben Ort befindet sich eine Treppe aus Strzegom-Granit. Wenn die Unterführung nicht so heruntergekommen wäre, wäre sie ein interessantes Objekt, das unterschiedliche Natursteinarten Niederschlesiens repräsentiert."
Südliche Unterführung unter dem pl. Dominikański, Foto: Tomasz Walków
Wir dürfen natürlich auch den Marmor nicht vergessen, der ebenfalls an öffentlichen Plätzen vorkommt. - „Natürlich. In Wroclaw haben wir mit Marmorarten aus Sławniowice in der Region Oppeln, aus Przeworna bei Strzelin und "Marianna" aus Stronie Śląskie zu tun. Aus dem Marmor aus Sławniowice wurden zahlreiche Skulpturen und Epitaphen im Dom von Wroclaw errichtet. Eine ähnliche Marmorart aus Przeworna kann man bei Epitaphen in vielen Kirchen finden, u.a. in der Kirche St. Maria Magdalena und in der Basilika St. Elisabeth. Dem Marmor "Marianna" wiederum begegnen wir in der zweiten, nördlichen Unterführung unter dem pl. Dominikański. Im Original ist dieser Stein sehr schön, mit bunter Marmorierung, oft sogar lachsfarben, die Platten in der Unterführung sind jedoch stark durch Reinigungsmittel beschädigt, mit denen man das Graffiti beseitigen musste."
Nördliche Unterführung unter dem pl. Dominikański, Foto: Tomasz Walków
Wie werden die Steinbauten in Wroclaw geschützt?- „Allgemein durchgesetzt hat sich die schlechte Angewohnheit der farblichen Unifizierung. Das Denkmal wird erneuert, anschließend werden die gereinigten Natursteine farblich aneinander angepasst, also einfach gestrichen, damit sie schön aussehen. Wir haben mit einem Interessenkonflikt zu tun. Die Touristen sind begeistert, weil es schön ausschaut, für den Experten oder Liebhaber allerdings, der sagen muss, woraus dieses Bauwerk errichtet wurde, ist es ein Problem“.Was wurde auf diese Weise behandelt?- „Die Säulen der Alten Börse auf dem pl. Solny. Früher kam ich mit Studenten dorthin, um ihnen zu zeigen, wie schön die Rekonstruktion gelungen ist und die Einschusslöcher aufgefüllt wurden. Es wurden Flickstellen aus gleichem Stein angefertigt – einem schönen, weißen Sandstein. Die Ergänzungen waren erkennbar, wurden allerdings dann übermalt und heute kann man nicht mehr erkennen, aus welchem Stein diese Säulen bestehen. Ähnlich behandelt wurde das Portal aus Sandstein am Seiteneingang in das Gebäude der Philologischen Fakultät von der ul. Grodzka."
Gebäude der Alten Börse auf dem pl. Solny, Foto: Tomasz Walków
Mag sein, dass es aus konservatorischer oder visueller Sicht gelungen ist, jedoch die originellen Charakteristika des Natursteins wurden verhüllt. Es gibt aber auch Stellen, die so perfekt rekonstruiert wurden, dass man sie kaum erkennen kann. Zum Beispiel das Bankgebäude an der Kreuzung des Rings und pl. Solny. An der Seite von Pl. Solny muss man sich sehr dicht an die Wand stellen, um die Ergänzungen zu sehen. Sie wurden aus gleichem Stein gemacht, perfekt angepasst, also man kann, wenn man es nur will.
Bankgebäude am Ring, Foto: Tomasz Walków
Bunter Eingang in den Dom
Kann man in der Steinmetzkunst von Moden sprechen, die sich im Laufe der Zeit verändern?"Im Mittelalter gab es keine petrografischen Untersuchungen, die Steinqualität, Saugfähigkeit oder andere Eigenschaften wurden nicht unter dem Mikroskop untersucht. Der Investor – nennen wir ihn so, ließ einfach mit Pferdekarren jeden Stein herbeischaffen. Nachdem der Dom dann gereinigt worden ist, können wir nun beispielsweise am Seiteneingang an der Seite des Botanischen Gartens alle Farben des Sandsteins sehen: weiß, gelb, rosa, es gibt dort Radków und Bolesławiec, und Nowa Ruda. Es "kam" alles dran, die Reihe nach."
Seiteneingang zum Dom von Wroclaw, Foto: Tomasz Walków
Der Stein diente nicht den dekorativen Zwecken, es war das einfachste Baumaterial. Im Dom wurden die Gesimse und diverse Bauschmuckelemente aus verschiedenen Platten angefertigt. Man nahm jeden Stein, aber nicht jeder war qualitativ gut. Deshalb zeigt es sich erst nach vielen Jahren, dass ein Fragment bröckelt, das andere quält auf, das nächste wiederum wurde vom Pilz aufgefressen. Ein Teil sieht gut aus, der nächste wiederum grauenvoll. Ein perfektes Beispiel hierfür sehen wir an der Kirche St. Maria Magdalena von der Seite ul. Łaciarska. Das Gesims wurde teilweise aus Granit, teilweise aus Sandstein gemacht. An einer Stelle ist der Granit total verwittert, er ist buchstäblich zum Staub geworden, es gibt aber auch einen Sandsteinblock im perfekten Zustand, mit origineller mittelalterlicher Musterung. Der Sandstein war also von guter Qualität, der Granit aber schon vom Anfang an verwittert.
Fragment des Gesimses an der Kirche St. Maria Magdalena von der Seite ul. Łaciarska, Foto: Tomasz Walków
Heute setzen Architekten auf Beton und Glas.- „Ich bin anderer Meinung. Naturstein findet man vor allem in Pflastersteinen." Pflastersteine sind nicht besonders effektvoll, ich dachte eher an Architektur.- „Meiner Meinung nach sind sie sehr effektvoll. Jahrelang wurden Gehwege aus Betonplatten verlegt, heute kehrt man zu Natursteinpflastern zurück."
Ring von Wroclaw, Foto: Tomasz Walków
Pflastersteine aus Naturstein sind echter, beständiger, sehen besser aus. Die Achse Grunwaldzka - wunderschön, ulica Oławska, prachtvoll. Der Ring ist auch beeindruckend. Können Sie sich den Ring in Gussbeton vorstellen? Außerdem werden Natursteine in der Bauindustrie verwendet, Banken, Bürogebäude, neue Häuser haben Fassaden aus Stein. Der wirtschaftliche Aspekt zählt auch – Steinfassaden sind günstiger in der Pflege, richtig gemachte und befestigte Außenverkleidungen sind beständig und schön. Verputzte Fassaden müssen alle paar Jahre neu gestrichen werden.
Woran ist der Granit aus China schuld
Ein großer Neubau aus Stein ist die Universitätsbibliothek. Die Bauzeit lange gedauert, allerdings gab es schon von Anfang an Zweifel bezüglich ihres Aussehens. Man nannte sie Steinbunker. - "Für den Bau wurde ein schöner Sandstein aus den Karpaten, aus der Nähe von Brenna verwendet. Schön, aber "mit Launen", die der Architekt kennen sollte. Der Stein ist grün, da er aus vielen Eisenverbindungen besteht, die allerdings unterschiedlich oxidieren. Es gibt Stellen, die anfangs unsichtbar sind, jedoch nach einer gewissen Zeit der Einwirkung von Sonne, Wind oder Regen beginnen sie zu oxidieren und es kommen unzählige braune Flecken zu Tage. Man kann nicht voraussehen, ob der Fleck seitlich erscheint, in der Mitte der Platte, oder auf vier Platten nacheinander. Es wird sich noch ändern, wird etwas dunkler. Jetzt ist es natürlich Geschmacksache, manchen Leuten wird es gefallen, dass das Bauwerk nicht einheitlich grün ist, andere wiederum werden sagen, dass es grün sein sollte."
Gebäude der Universitätsbibliothek, Foto: Tomasz Walków
Welche der in der letzten Zeit errichteten Bauten sind besonders bemerkenswert?- "In den Neubauten von Wroclaw werden oft importierte Natursteine verwendet, denn sie sind bunter und manchmal billiger." Die Steinmetze meckern über den populären chinesischen Granit, sie sagen, es sei billiger, aber auch schlecht.- „Das ist der allgemein gültige Stereotyp, der sich bei uns verbreitet, dass alles aus China schlechter sein. Es stimmt jedoch nicht. Der Stein ist doch nicht schuld daran, dass er in China oder in einem anderen Land gefördert wird. An den Wänden der neuen Hochschulgebäude haben wir guten chinesischen Granit. Beliebt ist auch die südafrikanische "Impala", schön und relativ günstig. Labradorite werden auch Norwegen importiert, denn bei uns gibt es diesen Naturstein nicht. Viel Travertin, eine Kalksteinart, wird aus der ganzen Welt eingeführt.An der Kreuzung der ul. Oławska und Łaciarska entstand ein Gebäude, dessen gesamte Fassade aus Travertin errichtet wurde. Erst nach der Reinigung des benachbarten "Kameleon" hat sich herausgestellt, dass die hellen Steinintarsien zwischen den Geschossen einst ebenfalls aus Travertin errichtet wurden. Heute harmonisieren beide Bauten auf wunderbare Weise miteinander."
Altes Kameleon (rechts) und Neubau in der ul. Łaciarska, Foto: Tomasz Walków
Für die Renovierung des Wasserknotens von Wroclaw wurde eine große Menge von Granit, u.a. aus Strzelin und Górka Sobocka herbeigeschafft, man bekommt allerdings davon nicht viel zu sehen, vor allem bei hohem Wasserpegel, denn er wurde überwiegend zur Verstärkung des Bodens und der Ufer der Oder verwendet.