An das Grauen der Armenier erinnerte neulich Papst Franziskus und bezeichnete es offiziell als Völkermord. Gleichzeitig appellierte er an die Versöhnung zwischen dem armenischen und dem türkischen Volk nach der Messe in Vatikan, mit der an den hundertsten Jahrestag des Massakers an den Armeniern gedacht wurde. Die Verwendung des Wortes "Völkermord" durch Franziskus rief eine scharfe Reaktion der türkischen Regierung hervor, die eine Note an den vatikanischen Botschafter schickte. "Das Böse zu verbergen oder so zu tun, als ob es nicht vorhanden wäre ist wie eine blutende Wunde ohne Verband zu lassen" – sagte der Paps über den Völkermord an den Armeniern. Die türkische Regierung versucht zu beweisen, dass es dieses Ereignis aus dem frühen 20. Jh. niemals gab. Der Papst erinnerte auch an die Worte Johannes Pauls II., der das Massaker an den Armeniern in der Türkei als den esten Völkermord des 20. Jh. bezeichnete.
An diese Ereignisse erinnert das Theater Teatr ZAR in Wroclaw – mit dem Stück "Armine, sister" und einer Gedenkwoche für die ermordeten Armenier.
Das Buch des Flüsterns
Fragmente des Buches " Das Buch des Flüsterns" von Varujan Vosganian, herausgegeben durch den Verlag Książkowe Klimaty im Rahmen des Internationalen Lesens zum Gedenken an den hundertsten Jahrestag des Massakers an den Armeniern, liest Jacek Zawadzki. Beginn der Veranstaltung am 21. April im Saal des Theaters Laboratorium o 20 Uhr. Nach dem Lesen ist eine Diskussion über das Buch geplant. Moderiert wird sie von Kama Margielska, Chefredakteurin des Verlags Książkowe Klimaty.
" Das Buch des Flüsterns" verbindet Erzählungen über die Schicksale der Armenier vor, während und nach dem Völkermord von 1915-1916, über die Ereignisse des 2. Weltkriegs, die sowjetische Besatzung Rumäniens sowie die Folgen des kommunistischen Regimes für die rumänische Bevölkerung und auch für die armenische Gemeinschaft in Rumänien. Es vereint historische, biografische und fiktive Motive, enthält die Einfachheit, Präzision und Flüssigkeit der Märchen, die man abends erzählt.
Der Zeuge Daisuke Yoshimoto
Nach Wroclaw kommt anlässlich der Woche zum Gedenken an den Völkermord an den Armeniern ein Freund des Theaters ZAR, Butoh-Tänzer - Daisuke Yoshimoto, wie vor der Premiere des Stücks "Armine, Sister", die im November 2013 erfolgte, wird er seine Erzählung mittels einer Performance zeigen. Er erzählt über die Geschichte der Armenier und das Massaker, das die Türken an ihnen vor rund einem Jahrhundert verübt haben. Der Tänzer greift auch das Thema der Bewahrung und Stiftung der Erinnerung auf. "Der Zeuge" ist nicht ein Teil des Theaterstücks, obwohl es an denselben Voraussetzungen wie die Premiere des Theaters ZAR fußt. Yoshimoto vervollständigt quasi die von ZAR begonnene Erzählung. Vor den sechzehn Säulen, welche die zerstörte armenische Kirche symbolisieren, zeigt er auf ergreifende Weise das Grauen der Armenier. Jede seine Bewegung erzählt davon, was 1915 in türkischem Anatolien geschah. Die neue türkische Regierung hat die Verhaftungen und Morde an der armenischen Bevölkerung geplant. Sie ging sich gegen die Bürger ihres Landes vor. Es wird geschätzt, dass während des Massakers an den Armeniern etwa 1,5 Millionen Menschen ums Leben kommen könnten. Die weiße Figur des Tänzers wird zum Symbol für das Schicksal des ganzen Volkes. Der gespaltene Granatapfel, dessen Saft die weiße Haut des Schauspielers befleckt, wird zum unschuldig vergossenen Blut. Glastafeln, die seinen Körper zerquetschen, werden nicht zu einem geschlossenen Sarkophag, sondern gewähren Einblick in das Gedächtnis des armenischen Volkes und erinnern an seine Geschichte. Yashimoto ist Zeuge des Massakers an den Armeniern, er hat diese Erfahrung zwar nicht erlebt, kann dennoch den gleichen Schmerz und die gleiche Verzweiflung spüren und davon spricht er in der typischen für Buto expressiven Art. Er lässt die Zuschauer nicht unbeteiligt, ruft die Erinnerung an die armenischen Opfer zurück.
Die Aktion "Świadek" (Der Zeuge) findet an 22-23, 25-27. April um 19.15 sowie am 24 April o 20.15 Uhr auf dem Platz vor der Kirche St. Elisabeth (ul. św. Mikołaja).
"Armine, sister"
Das erwähnte Stück "Armine, sister" kann man erneut in Wroclaw am 25-27. April um 20 Uhr in Studio Na Grobli sehen.
Die Achse des Stücks "Armine, sister" bildet die armenische Kirchenmusik – vom monodischen Gesang aus der Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit in Istanbul über Kompositionen von Makar Ekmalian und Sammlungen von Komitas, ergänzt um persische und kurdische Musiktraditionen. Die Schauspieler des Theaters ZAR lernten das monodische Gesang fast zwei Jahre, zusammen mit ihnen treten im Stück die Meister dieses Gesangtypus wie. Aram Kerovpyan – Gesangmeister in der armenischen Kathedrale in Paris, Murat Iclinalca - Gesangmeister in der Kirche Hl. Gregor des Erleuchters in Istanbul, Dengbesz Kazo – kurdischer Sänger und Erzähler sowie die Schwester Masha und Marjan Vahdat, die klassische persische Lieder singen.
Den Bühnenraum bilden 16 Säulen, die an eine verlassene armenische Kirche erinnern. – „Die Verbindung zwischen Architektur und hielten wir von Anfang an für sehr wichtig“ - sagt Fret. – Während unserer Reise durch Anatolien besuchten wir Ruinen armenischen Kirchen. Obwohl sie unter Denkmalschutz stehen, gibt es dort keine Informationen über die Armenier. Die Geschichte der Armenier wird verschleiert, gelöscht. Der Völkermord, den die Türken begangen haben, wird verleugnet, aus der kulturellen Überlieferung verdrängt“ – fügt der Leader von ZAR hinzu.
"Lieder der Erinnerung"
Premiere des Dokumentarfilms "Pieśni pamięci" (Lieder der Erinnerung ) über das Projekt "Armine, Sister" in der Regie von Nathalie Rossetti und Turi Finocchiaro findet am Dienstag, 28. April um 20 Uhr in Dolnośląskie Centrum Filmowe (Niederschlesisches Filmzentrum) statt.
Am Donnerstag, 23. April findet in Warszawa ist der Kirche der Hl. Dreifaltigkeit, pl. Małachowskiego 1, ein Konzert der armenischen Kirchengesänge statt. Das Konzert "Kolumny" (Säulen) findet unter Mitwirkung der Mitglieder des Theaters ZAR, Aram, Virginia und Vahan Kerovpyanowie sowie Murat İçlinalça statt. Das Konzert besteht aus traditionellen armenischen Kirchengesängen, die aus einstimmigem Modalgesang mit Burdonbegleitung besteht. Das Repertoire umfasst verschiedene Gesänge aus dem Offizium und der heiligen Liturgie. Während des Konzerts stellen die Mitglieder des Theaters ZAR, Virginia, Vahan und Aram Kerovpyan, Gründer des Zentrum für Studien an den armenischen Kirchengesängen und der Gruppe Akn aus Paris, sowie Murat İçlinalça, Kantor der Kirche Hl. Gregor des Erleuchters in Istanbul, die Ergebnisse des drei jährigen "Eintauchens" in der Welt der modalen Musik im Rahmen des Projekts "Armine, Sister". Das Konzert findet unter der Schirmherrschaft der Botschaft der Republik Armenien in Polen sowie des außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafters Edgar Ghazaryan statt.
"Das Große Verbrechen - Palimpsest der Erinnerung" in ganz Polen
Am Jahrestag des Völkermordes an den Armeniern, am Freitag 24. April, lädt das Theater ZAR zur Teilnahme am Projekt "Medz Yeghern - Palimpsest der Erinnerung" ein, das eine Reihe von Kulturveranstaltungen umfasst: Flashmobs, Happenings und Treffen. Diese Veranstaltung finden gleichzeitig in Kultur- und Kunstzentren der größten Städte Polens, ihre Höhepunkt erfolgt um 19:15 Uhr.
Mit dem Titel der Veranstaltung "Medz Yeghern - Palimpsest der Erinnerung" knüpfen die Veranstalter an die zum ersten Mal im Jahr 1911 durch den armenischen Journalisten und Aktivisten Khatchadour Maloumian verwendete Bezeichnung, die " Das Große Verbrechen" bedeutet. Sie wurde zum armenischen Synonym für das Wort " Völkermord ". Die Wahl der Worte "Medz Yeghern" für den Namen des Projekts ist eine bewusste Handlung, mit dem Ziel, die diese Bezeichnung zu popularisieren und gleichzeitig erreichen, dass sie sich im Bewusstsein und Erinnerung der Adressaten der geplanten Veranstaltungen einprägt.
Geplant idt die Aktion "Medz Yeghern - Palimpsest der Erinnerung" für eine Gruppe, die sich mittels der sozialen Netzwerke versammelt. Zum zentralen Punkt dieser Aktion wird die gleichzeitig erfolgte Geste der Hinlegung eines kleinen Steines, einer Handvoll Erde oder Grantatapfels auf dem Boden. Das sind bedeutende Objekte innerhalb der Symbolik der armenischen Geschichte. Das Streuen des Sandes knüpft an das Bild der Ruinen der armenischen Kirchen, die unter dem Sand der Wüste verfallen und dessen zerbrochene Säulen zur Metaphehr und Symbol des Völkermordes an den Armeniern wurden. Der Granatapfel ist ein Symbol für die Fruchtbarkeit und langes Leben.
Durch die einfache, kleine Geste wie das Streuen des Sandes aus der Hand, die gleichzeitig und bewusst durch eine Gruppe von mehreren Dutzend Performancekünstler verübt wird, können die Teilnehmer ihre Stimmer erheben und Verantwortung über die Erinnerung an die vergangenen Ereignisse übernehmen, ebenso an die Pflicht, das Ausmaß und die Bedeutung der Ereignisse des Jahres 1915 fest- und bewusstzuhalten. Die Bedeutung dieser Tätigkeiten soll vielschichtiger sein, sie sollen auch universalere Aspekte aufgreifen wie das Problem der Bewahrung und Stiftung der Erinnerung, die Rolle und Bedeutung von Performances in den Gesprächen über Geschichte und der Erinnerung an die Vergangenheit.
Ausstellungen in Wroclaw
Anlässlich des Jahrestages wurden aus zwei Ausstellungen vorbereitet. Die este findet zwischen 13 und 30. April auf dem Platz vor der Kirche St. Elisabeth, ul. św. Mikołaja statt. Die "Być świadkiem świadków" (Zeuge der Zeugen zu sein) besteht aus historischen Dokumenten, zeitgenössischen Fotos und Materialien, die von Mitgliedern des Theaters ZAR bei den Reisen nach Armenien, Israel und in die Türkei gesammelt wurden. Die Ausstellung ist ein Versuch, die aus der großen Geschichte Europas verdrängte "kleine" Geschichte des armenischen Volkes, verewigt auf wenigen Fotos und Dokumenten, näher zu bringen, ergänzt durch die Geschichte "des schweigenden Blickes" der modernen Europäer.
Im Kinosaal des Grotowski-Instituts und im CaféTHEI werden von 21 bis 27. April Fotos gezeigt, mit dem Ziel, die Schauorte des Grauens des armenischen Volkes zu veranschaulichen. Die Wanderung entlang dieser Spuren ist sehr traurig, denn sie erinnern an die Geschehnisse nicht jene, die gegangen sind, sondern Menschen, die sie lesen können.
Eintritt zu den meisten Veranstaltungen ist frei.
Im Hintergrund der oben erwähnten Veranstaltungen findet eine großangelegte Crowdfunding-Kampagne zur Wiederentdeckung der Erinnerung statt. Ihr Ziel ist es, die internationale Rezeption des Projekts und des Stücks "Armine, Sister" des Theaters ZAR zu erweitern (www.indiegogo.com/projects/armine-sister).