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  4. „Pan Tadeusz” – 1. deutsch-polnische Ausgabe

- Das Geburtsjahr von Mickiewicz ist 1798, ich wiederum bin 1978 geboren (dieselben Zahlen!) – es trennen uns also 180 Jahre. Wenn alles glatt verläuft, erscheint meine Übersetzung 180 Jahre nach der Publikation des Originals von Mickiewicz. Für mich sind es eher lustige Zufälle, aber vielleicht auch ein gutes Omen? Genauso wie die Tatsache, dass ich schon bald, im Februar, einen Vortrag in Breslau halten werde, wo die Handschrift aufbewahrt wird? - sagt Hans Gregor Njemz, der sich seit einigen Jahren fast vollständig der Arbeit an der sechsten Übersetzung ins Deutsche unseres Nationalepos.

Vielleicht sind diese Zufälle ein Hauch einer romantischen, unsichtbaren und übersinnlichen Aura, die Ihnen gerade einen übersetzerischen Erfolg prophezeit?

- Dieses Werk wird gewiss nicht vollkommen sein. Ich selbst sehe überall Mängel, was werden erst die Kritiker finden! Andererseits ist es bekannt, dass jede Übersetzung gleichzeitig eine Interpretation ist, und es gibt keine einzig richtige. Ich stelle also nur meine Interpretation vor und nach mir wird früher oder später eine neue Übersetzung entstehen und mit ihm zusammen eine weitere, andere Interpretation. An manchen Stellen bin ich mit Sicherheit näher an das Original herangerückt als meine Vorgänger, aber ob im Ganzen?

Jetzt müssen wir allerdings erfahren, wie kam es, dass sie so gut Polnisch kennen und sich so stark für unsere Kultur interessieren?

- Ich danke für das Kompliment, mein Polnisch ist bei weitem nicht so fließend und fehlerfrei, wie es zu sein scheint. Mit Sicherheit spreche ich nicht so gut, wie ich gerne sprechen würde, aber zum Glück zählen bei der Übersetzerarbeit die passiven Fremdsprachkenntnisse und die aktive Kenntnis der Muttersprache.

Ich habe keinerlei polnische Wurzeln - mein Ururgroßvater stammte aus Görlitz. Geboren und aufgewachsen bin ich in Bremerhaven an der Nordsee. Seit der Studienzeit lebe ich in Kiel, mittlerweile mit meiner Frau und zwei Kindern. Ich begann, vor gut über zehn Jahren Polnisch zu lernen, nach dem Abitur hat mich mein Nachbar von der Schulbank (ein Deutscher polnischer Herkunft) nach Polen mitgenommen hat, zu seinen Großeltern in die Masuren. Polen hat mich fasziniert. Zuerst wollte ich Polonistik studieren, aber letztendlich machte ich sie zu meinem Hobby. Folglich begann ich ein Studium der Romanistik und Philosophie an der Christian-Albrecht-Universität in Kiel (zuerst zwei Semester an der Humboldt-Universität in Berlin). Zusätzlich besuchte ich einen Polnischkurs. Ich nahm an der Sommerakademie der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen teil, studierte dort auch ein Semester Philosophie. Nach dem Studium arbeitete ich als Lektor für deutsche Sprache am Institut für Germanische Philologie an der Schlesischen Universität in Sosnowiec.

Mit Übersetzungen beschäftige ich mich seit einigen Jahren. Der Anfang war nicht-beruflich – eine Magisterarbeit, die eine Übersetzung der Abhandlung O doskonałości [Über Vollkommenheit] von Władysław Tatarkiewicz war, mit einem Kommentar und Fußnoten. Später habe ich unterschiedliche historiographische Texte über Elbing und Umgebung übersetzt (die familiären Wurzeln meiner Frau, die eine Deutsche ist, reichen dorthin zurück). Später, als ich schon wusste, dass die Arbeit als Übersetzer meine Berufung ist, habe ich den Verlagen verschiedene Projekte vorgeschlagen. Kein einziges wurde bisher angenommen. Bis auf Pan Tadeusz. Wir kommen also zu der Frage: warum Pan Tadeusz? Ist Mickiewicz etwa in Ihrem Land so bekannt und geschätzt, wie bei uns Goethe oder Schiller? Es ist wohl eher nicht der Fall. - Das Ansehen von Mickiewicz in Deutschland ist und war niemals so hoch wie das Ansehen, das Goethe und Schiller (Szyller - wie Mickiewicz zu schreiben pflegte) in Polen genießen. Leider. Schon allein die Tatsache, dass ich jahrelang nach einem Verleger für meine Übersetzung suchen musste und alle Verlage (auch die bekanntesten) ausnahmslos abgesagt haben, wegen des vermeintlichen Mangels an Lesern, spricht eindeutig für die unzureichende Kenntnis und Ansehen Mickiewicz sowie der polnischen Literatur in Deutschland. Nur wenige Deutsche können mit dem Namen Mickiewicz etwas anfangen. Das bedaure ich sehr, hoffe allerdings, dass meine Bemühungen zur Verbesserung dieses Zustands beitragen werden. Wir auch, obwohl man zugeben muss, dass Sie ins tiefe Wasser gesprungen sind, indem Sie gleich nach unserer />>Nationalreliquie“ gegriffen haben. Wollten Sie nicht erst mal mit einem />>einfacheren“ Text anfangen, der weniger mit der polnischen Geschichte und Konnotationen zusammengewachsen ist, auf eine Weise, die nur die Polen verstehen können? - Anfangs war diese Arbeit für mich eine Art Laune - ich wusste sehr wohl, dass die schon vorhandenen Übersetzungen ihre Fehler haben - als ich vor einigen Jahren ein Bein gebrochen habe und für mehrere Wochen ans Bett gefesselt war. Plötzlich bekam ich Lust, mich dieser Übersetzung zu stellen. Als Inspiration diente mir die Inwokacja [Anrufung] in der Übersetzung des berühmten Slawisten Rolf-Dietrich Keil (geb. 1923). Es war somit eigentlich keine bewusste Entscheidung, nur ab einem gewissen Moment konnte ich nicht mehr von dieser Übersetzung lassen, weil es mir schien, dass das Ergebnis meines Haderns so gut gelungen ist, dass es wert ist, sich weiter mit dieser Arbeit zu beschäftigen. Viel mehr, ich habe immer mehr Fehler und Ungeräumigkeiten in den älteren Übersetzungen gefunden. Zur weiteren Arbeit ermutigten mich auch die Meinungen meiner Freunde und Bekannten, insbesondere in der Zeit, als ich fühlte, dass mich die Arbeit übersteigt und dass sie einfach übermenschlich ist.

Mit der Zeit ist Pan Tadeusz für mich quasi zum einzigen Werk auf der ganzen Welt geworden. Ich fand dort immer mehr Anmut, Meisterschaft, Humor. Manchmal überfiel mich die Illusion, als ob ich – indem ich den Text übersetze – ihn erst erschaffe. Ich befand mich natürlich an der Grenze zum Wahn, es hat aber sehr geholfen, die übersetzerischen Schwierigkeiten zu überwinden.

Genau, ich bin neugierig, wie Sie mit dieser „Treppe“ fertig geworden sind. Sie sind sich natürlich im Klaren, dass nicht alle Polen – wohl bemerkt, dass Pan Tadeusz schon seit der Schulzeit unsere Nationale Pflichtlektüre ist – heute noch wissen, was Mickiewicz in manchen Fragmenten seines Werks eigentlich „gemeint hat“.

- Die meisten Probleme bereiten mir das Versmaß – dreizehnsilbig, das in der deutschen Tradition nicht vorhanden ist und – der weibliche Reim, der in der deutschen Sprache seltener vorkommt als in der polnischen. Ich folge allerdings der Spur des schon erwähnten Slawisten Rolf-Dietrich Keil, der vor einigen Jahrzehnten eine Übersetzung der Inwokacja publiziert hat, meiner Meinung nach eine sehr gelungene.

Ein konstantes Problem ist außerdem die Individualisierung der Sprache, weil beispielsweise in der deutschen Übersetzung Jankel sich anders ausdrücken muss wie Tadeusz, Telimena anders als der Graf etc. Die lexikalischen Schwierigkeiten von der Art der berühmten „dzięcielina” (regionale Bezeichnung für einige Kleesorten, Quendel), überwinde ich sowohl mithilfe des Kommentars von Stanisław Pigon zur Ausgabe von Pan Tadeusz in der Nationalbibliothek Ossolineum, als auch der Sekundärliteratur, Lexika, Wörterbücher, nicht zu vergessen das Intenet.

Die Schwierigkeit liegt meistens nicht darin, herauszufinden, wovon der Vers handelt, sondern, um den passenden Ausdruck in der deutschen Sprache zu finden – passend bedeutet in diesem Fall so viel wie adäquat im Bezug auf den Stil, Epoche und manchmal auch das Versmaß. Ich vermeide Anachronismen, weil ich kein Freund der sog. Aktualisierung bin. Sehr viel Beachtung schenke ich übrigens den Provinzialismen, die Mickiewicz bewusst und gezielt verwendete.

Und die gesamte historische Schicht? Wie bringen Sie diese dem deutschen Leser bei?

- Die historischen Bezüge, insbesondere im Zusammenhang mit der Geschichte des Adels, kann ich dem Leser nicht ersparen. Diese Bedeutungsschicht spielt hier die Schlüsselrolle. Ich werde wohl auf Fußnoten nicht verzichten können und erwarte von dem Leser, dass er sich mit Begriffen wie: kontusz, Targowica etc., vertraut macht, die den Deutschen meistens fremd und unbekannt sind. So weit unbekannt, dass es im Deutschen keine Bezeichnung für das gegebene Gegenstand gibt. Ich gehe jedoch davon aus, dass auch das Original selbst für die Polen von heute nicht mehr so verständlich ist, wie zu Mickiewicz Zeiten. Eine Hilfe für den Leser könnten Illustrationen sein, auf denen z.B. die Adelstracht abgebildet ist – das ist allerdings ein Problem des Budgets – das für die fertige Publikation reichen muss.

Was meinen Sie, wer wird als erster in Deutschland Ihre Übersetzung lesen?

- Meine Übersetzung (mindestens die sechste ins Deutsche innerhalb der hundertachtzig Jahre) wird vermutlich Slawisten und Mickiewicz-Kenner interessieren. Außerdem kann man auf die Deutschen zählen, die Polnisch lernen (weil sicherlich jeder von ihnen von Pan Tadeusz schon mal gehört hat), außerdem auf die Polen, die Deutschland leben und das Nationalepos ihren Kindern, Bekannten etc. näher bringen möchten. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich auch größere Kreise als die polnische Diaspora oder die Polenfreunde erreichen kann.

Sie hatten schon eine Gelegenheit, von Ihrer Übersetzung zu erzählen, und zwar den Experten an der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen. Wie ist es gegangen?

- Der Vortrag in Posen war hauptsächlich an Studenten adressiert. Er ist auf Interesse gestoßen, es war allerdings eher eine Kammeratmosphäre. Zahlreiche Impulse für meine Arbeit brachte mir jedoch das Treffen einen Tag vorher – am Posener Lehrstuhl für die Literatur der Romantik im Kreis der Literaturwissenschaftler.

Was erwarten Sie von Ihrem Auftritt im Breslauer Studium Generale, der am 25. Februar stattfindet?

- Das Studium Generale war mir bisher nicht bekannt, ich weiß allerdings, dass es über eine langjährige Tradition verfügt und die offene Form der Treffen mitunter ein großes Publikum anzieht. Ich weiß nicht, ob ich seine Erwartungen erfüllen kann, indem ich über das polnische Meisterwerk spreche.

Meinen Besuch in Breslau verdanke ich Iwona Uberman, Journalistin und Übersetzerin, die ich im Herbst letzten Jahres bei der deutsch-polnischen Übersetzerwerkstatt bei Posen kennengelernt habe. Ich habe ihr meinen Posener Vortrag vorgelesen, sie war neugierig, was ich über meine Arbeit erzählen möchte und für mich war es gewissermaßen die Generalprobe vor dem Auftritt an der Universität. Sie hat mich gebeten, ihr den Text zuzuschicken. Ich wusste nicht, dass er auf diese Weise nach Breslau gelingt, dass er das Interesse der Universitätsleitung erweckt. Es ist für mich eine große Ehre. Ich werde mit Sicherheit sehr aufgeregt sein.

Und in Breslau wartet auf Sie die Handschrift von Mickiewicz

- Die Handschrift von Pan Tadeusz habe ich bisher nicht gesehen, ich kenne sie nur aus einzelnen Illustrationen in den Ausgaben des Werks sowie aus der Niederschlesischen Digitalen Bibliothek, wo man die gescannte Version betrachten kann. Ich werde sie während des Aufenthaltes in Breslau sehen. Deshalb ist für mich die Reise gewissermaßen eine Pilgerfahrt...

Ihre Übersetzung soll dieses Jahr erscheinen. Was müssen Sie noch tun, um Ihr Werk zu vollenden?

- Ich befinde mich in der Abschlussphase. Den letzten Schliff geben, verbessern, korrigieren könnte man ewig. Aber ein Leben würde nicht reichen, um die gesamte Bibliographie zu Pan Tadeusz zu lesen. Ich muss noch die Fußnoten verfassen. Nach einer langen und entmutigenden Suche habe ich endlich einen Verlag gefunden – wir planen eine zweisprachige Ausgabe mit Kommentar, die im Herbst erscheinen soll. Alles hängt jedoch davon ab, ob wir einen Zuschuss vom polnischen Institut des Buches (Instytut Książki) bekommen.

Und was dann? Haben Sie schon ein weiteres polnisches Werk in Ihrem „Übersetzerauge“?

- Die nächste Arbeit wird mit Sicherheit ein Prosawerk sein, denn vom Dichten habe ich schon wirklich genug (Lachen). Momentan möchte ich weniger von der Stimmung und Inspiration abhängig sein und regelmäßiger arbeiten. Mich reizt Nad Niemnem (An der Memel) von Eliza Orzeszkowa. Wie es scheint, wurde das Werk noch nicht ins Deutsche übersetzt und eine gewisse Ähnlichkeit mit Pane Tadeusz ist vorhanden. Ich muss allerdings diesen Roman erst mal gründlich zu Ende lesen, wofür während der Arbeit am Epos von Mickiewicz keine Zeit war.

Unter nicht-literarischen Werken reizt mich die dreibändige Dzieje inteligencji polskiej do roku 1918 (Geschichte der polnischen Intelligenz bis 1980), vor einigen Jahren von Jerzy Jedlicki herausgegeben.

Trotz Quallen, die Sie während der Übersetzung von Pan Tadeusz „erlitten“ haben, spüre ich, dass es schwer sein wird, so einfach die langen Jugendjahre abzuschließen, die sie der Übersetzung gewidmet haben.

- Die Arbeit am deutschen Pan Tadeusz ist eine unglaublich zeitintensive Angelegenheit. Manchmal braucht man mehrere Stunden, um einen guten Reim zu finden, ein anderes Mal lässt einen die Eingebung in einem Augenblick einen ganzen Abschnitt schreiben. Am besten konnte ich nachts arbeiten, in völliger Stille. All das lässt sich nicht einfach mit dem Familienleben verbinden. In dieser relativ langer Zeit war ich so oft und so eng mit den Helden von Mickiewicz zusammen, dass sie für mich fast zu lebendigen Bekannten wurden, ich sehe sie vor mir, höre ihre Stimmen. Ich war beinahe im gleichen Zustand, wie Mickiewicz während des Schreibens von Pan Tadeusz: ich lebte gewissermaßen in Litauen, obwohl ich dort noch niemals gewesen bin. Es wird mir schwer fallen, mich von einigen Helden, z.B. von Wolski zu trennen, wenn ich diese Übersetzung beende. Aber für meine Familie wird dieser Moment vermutlich eine große Erleichterung sein (Lachen).

Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch und wünsche Ihnen, dass Herr Thaddäus unter möglichst viele deutsche Strohdächer einzieht!

Das Gespräch führte: Małgorzata Wieliczko

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