Joanna Wyrwa, Absolventin der Studienrichtung internationale Beziehungen, stammt aus Großpolen. Heute findet man in ihrem Personalausweis einen festen Wohnsitz in Wroclaw und seit vielen Jahren bilden Nadodrze, Ołbin und Przedmieście Odrzańskie ihren Lebens- und Arbeitsmittelpunkt.
Studentische Trampolin
Noch während des Studiums gründete sie mit ihren Freunden den Verein Trampolina (Trampolin), arbeitete zusammen mit den Vereinen Tratwa (Floß), Dom Pokoju (Haus des Friedens), absolvierte einen Kurs für Führungskräfte der Nichtregierungsorganisationen. – „In dieser Zeit auch entdeckte ich für mich Nadodrze und bin dort bis heute geblieben“ – sagt sie. Sie erzählt von den ersten Veranstaltungen, die sie mit Freunden organisierte: Gemeinsames Gestalten der Wandgemälde in der ul. Ptasia, ein Spielplatz aus Europaletten, ein Tanz- und Capoeira-Workshop für Kinder und Jugendliche mit echten Trainern. Sie haben zuerst Kinder und Jugendliche für sich gewonnen, dann die Herren, die die Parkbänke okkupierten und schließlich ganze Familien.
- „Seit immer waren wir überwiegend im Freien tätig, wir haben viel zu viel Energie, um uns in vier Wänden einzusperren. Und außerdem ist Nadodrze eine wunderschöne Siedlung, die für das öffentliche Leben geschaffen wurde, voll von außergewöhnlichen Orten, die wir schon immer versuchen, für Aktivitäten jeder Art zu nutzen – den Platz Macieja, den Bahnhof Nadodrze sowie alle Grünanlagen und Plätze.. Mein Traum ist, dem öffentlichen Raum seine ursprüngliche Bedeutung wiederzugeben, Orte für Treffen, gemeinsames Festessen, Integration und soziale Aktivität zu schaffen“ – erzählt sie lebhaft. – „Wir beklagen, dass es zu wenig soziale Aktivität gibt, keine Beteiligung und Engagement, dabei sind die Wiedererlangung der alten Bedeutung des öffentlichen Raumes, die Wiedergewinnung dieses Raumes für die Einwohner, Umsetzung ihrer Ideen und Regeln für ihr Miteinander die wichtigsten Schritte, die wir machen müssen, um die Qualität des sozialen Lebens zu ändern. Das versuchen wir auch bei Trampolina zu tun. Ein wichtiger Ort ist jetzt auch der Klub in der ul. Niemcewicza, es ist unser Treffpunkt und zugleich der Ort, wo unsere Workshops veranstaltet werden, überwiegend im Sommer.
Aufbau der Installation "Regen der Empfindungen", Fot. Paweł Popko
Es gibt kein Universalmittel, mit dem man die Menschen für sich gewinnen kann. Am Anfang ist man einfach da, bis das Vertrauen kommt. Sie gingen in die Innenhöfe und plauderten, mit den Kindern, mit den Herren auf den Bänken und allen Anderen. – „Wir kamen ein Mal, dann das zweite und das dritte Mal wieder. Sie merkten, dass unser Eifer nicht weg ist sahen uns anders an“ - sagt Wyrwa.
Die junge Frau aus Wroclaw benutzt keine Worte wie "Unterstützung" oder "Hilfe", sie hat nichts von einer „Kolonialherrin“, einer Vertreterin der Zivilisation in einem "heruntergekommenen" Viertel. Sehr oft erwähnt sie aber die Energie und das Potential der Bewohner der Straßen ul. Ptasia, Pomorska, Słowiańska, Niemcewicza. – „Wenn man den Menschen ein bisschen Aufmerksamkeit schenkt, dann stellt es sich heraus, dass es vor Ort viele wunderbare, interessante, kreative Leute gibt, die sich versammeln, um gemeinsam für den Ort tätig zu sein, an dem sie leben“ – bemerkt Wyrwa und nennt als Beispiel den "Regen der Empfindungen", eine künstlerische Installation, an der Kinder beteiligt waren. Wenn man die großen Regentropfen aus Kunstmasse in einer der Toreinfahrten montieren musste, machten sich die Herren ans Werk, die normalerweise im Innenhof auf Bänken herumhingen. Sie hielten die Idee für wertvoll.
Im Laufe der Jahre ist Trampolina reifer geworden, aus einer Studenteninitiative verwandelte sich der Verein in ein Unternehmen, an dem sich viele Menschen beteiligen. Sie haben ihre Familien, stammen aus verschiedenen Schichten, was sie verbindet, ist Nadodrze. Die Erwachsenen kommen zu den Treffen mit ihren Kindern und diese wiederum bringen zu den nächsten Treffen ihre Freunde mit. Und so bekommt die Gruppe der Anführer neue Zweige.
Fot. Paweł Popko
- „Wenn wir Workshops organisieren, finden sich meistens schnell Interessierte, es sind vor allem die Kinder, die sehr neugierig sind und sich nach Aktivitäten und Bewegung sehnen. Und das ist eine gute Methode, den Kontakt zu knüpfen, Aktivitäten im Bereich der Animation zu führen, die Energie zu erwecken. Aus den Menschen, die ich bei den letzten Projekten und Workshops kennengelernt habe, ist ein Team entstanden, das gemeinsam tätig sein wird. Es sind dabei überwiegend Jugendliche und Erwachsene“ - erzählt Joanna. – „Wir entwickeln uns als Verein, schaffen eine neue Form der Gemeinschaft von Nadodrze, einer kulturellen und personellen Mischung. Und wichtig ist dabei, dass es um eine vertraute gegenseitige Beziehung, Austausch von Erfahrungen und Werte geht.
Joanna erwähnt mehrere Male u.a. Frau Grażyna, eine Roma, die sich sehr gerne an verschiedenen Projekten beteiligt, mit ihr zusammen auch ihre Kinder und Enkel. Für eine Veranstaltung hat sie einen Roma-Abend vorbereitet. Grażyna ist eine exzellente Köchin, sie ist also für die Zubereitung der Mahlzeiten und des Caterings bei jeder Aktion von Trampolina verantwortlich, ob es ein lokales Picknick ist oder ein Treffen für Sponsoren.
- „Ich freue mich, dass Trampolina zu einem Ort der Aktivität, der Arbeit und Entwicklung der Menschen aus den Stadtteilen Nadodrze und Przedmieście Odrzańskie geworden ist. Wir haben lokale junge Führungskräfte – u.a. Sławomir Zaremba und Kacper Misiewicz, Alan oder Patryk. Sie organisieren Turniere, künstlerische Veranstaltungen, es ist auch ein Aufnahmestudio entstanden. Bald erscheint die erste Ausgabe einer Quartalzeitschrift, redigiert von Kasia Fibik“ - kündigt Joanna Wyrwa an. – Unsere Gemeinschaft besteht nicht nur aus den Bewohnern von Przedmieście, sondern auch aus Künstlern, die Nadodrze besuchen, um hier kreativ zu sein. Wir arbeiten mittlerweile mit Musikern zusammen, die sich in der Nachbarschaft unseres Büros niedergelassen haben, auf diese Weise ist die Musik zum festen Bestandspunkt unserer Veranstaltungen geworden.
Zentrum am Platz pl. Macieja
Die Anführerin von Trampolina zählt eine Reihe Veranstaltungen auf, die im Rahmen der Werkstatt Czuj Pracownia organisiert wurde, eines Projekts mit dem Ziel, Aktivitäten aus dem Bereich der engagierten Kunst zu verbreiten. Es sind nicht nur künstlerische Initiativen, Ausflüge oder Happenings. Ein Teil von ihnen hat einen sozialen Charakter. So etwa das Happening "Przemieszczacze" (dt. Die Umzügler), das sich auf die Migration der Gesellschaft bezieht, ein heute besonders aktuelles Thema. Sie haben sich zuerst in Lumpen verkleidet, dann im Bahnhof von Nadodrze ausgebreitet und zum Schluss sind sie in die Stadt gegangen. – „Wir haben die Passanten gefragt, ob sie uns aufnehmen, uns irgendwie helfen können“ – erzählt Wyrwa.
Die Chefin von Trampolina meint, ein perfekter Ort für Veranstaltungen sei der Platz Macieja, wo man unterschiedliche Events organisieren kann. Sie setzen auch auf die Entdeckung der lokalen Geschichte und Identität. Vor dem Allerheiligenfest veranstalteten sie im Park Staszica ein Recital der Schauspielerin Anna German, denn dort befindet sich ein Denkmal, das an die Künstlerin erinnert. Viele Menschen kamen vorbei, um eine Kerze anzuzünden.
Am ersten Frühlingstag planen sie, wie ein Jahr zuvor, ein Konzert und am 1. April erscheint eine Quartalzeitschrift, redigiert von den Einwohnern von Nadodrze, in Zine-Form. – „Es gibt jede Menge neuer Ideen und die ziehen neue Menschen an“- betont Joanna Wyrwa. - "Nadodrze ist ein wertvoller Stadtteil mit Menschen, die gerne aktiv sind und über ein riesiges Potential verfügen. Es lohnt sich, ihre Energie zu nutzen".
Fot. Paweł Popko