Über die Kraft der Liebe und den Mut, ihr zu folgen und ihretwegen alles aufs Spiel zu setzen erzählt Konrad Dworakowski, der Regisseur des Stücks.
Agnieszka Kołodyńska: Vor vier Jahren übernahmen Sie in Pantomima die Regie von "Mikrokosmos", jetzt arbeiten Sie am "Hydrokosmos". Kann man bereits von einem Zyklus sprechen?
Konrad Dworakowski: Ich weiß nicht, ob diese Bezeichnung nicht zu abgehoben erscheint, wenn man bei zwei Stücken von einem Zyklus spricht, aber in der Tat knüpfen wir mit der Person von Hans Christian Andersen, wie auch über die Konvention und die Sprache des Spektakels an das letzte Stück an. Vor allem aber interessiert mich der Protagonist selbst. Im "Mikrokosmos" habe ich versucht, das Kind davor zu bewahren, eine schwache und willenlose Persönlichkeit zu sein. Diese Art von "Däumelinchen" hat mir nicht gefallen. In der "Kleinen Meerjungfrau", an der sich unser "Hydrokosmos" orientiert, behandelt Andersen seine Figur mit viel Gefühl, widmet ihr viel Aufmerksamkeit und Empathie. Er versteht, dass es eine Figur ist, die ihre eigenen Emotionen hat, ihre eigenen mutigen Entscheidungen trifft. Eine Heldin wie diese würden wir gerne nicht nur in einem Kindermärchen sehen, sondern wir selbst würden gerne genauso viel Mut haben wie sie.
Warum sind Sie so von Andersen fasziniert? Sind Sie der Meinung, dass man die Kinder an die Klassiker der Literatur erinnern soll?
- „Was mich in der Kindheit geprägt und meine Fantasie und Empfindsamkeit nachhaltig beeinflusst hat, das waren die Märchen der Gebrüder Grimm. Mit Andersen wiederum kann ich die meisten Gespräche über die Welt und die Helden führen, da ich oft andere Meinung wie er habe. Das leitet mich an, meine eigene Sicht auf die Welt und meine Vorstellung des Kinderhelden zu analysieren".
Und wer ist für Sie die "Kleine Meerjungfrau"? Sind Sie der Meinung, sie ist gescheitert, weil sie ihren geliebten Prinzen gerettet hat und zum Meeresschaum wurde?
- "Die Meerjungfrau ist wie ein Tropfen im Meer, deshalb auch die Assoziation mit Hydrokosmos. Sie selbst ist das Opfer eines Systems, eine Karikatur gewisser Werte. Ich sehe sie nicht als gescheitert, sie hat keine Niederlage erlitten. Im Meer der Gefühle und Beziehungen ist es der Sieg der Werte wie der Mut und die Risikobereitschaft, für die Liebe alles aufs Spiel zu setzen. Das, wofür die Kleine Meerjungfrau steht, ist rein und authentisch, es gibt darin keine Banalität.
Es ist ein trauriges Märchen, mich interessiert allerdings die Sprache der Traurigkeit, denn in ihr entstehen diverse Gefühle, es schleicht sich auch eine Stille heran, in der wir erst in der Lage sind, innezuhalten und zu analysieren. Wir spüren, dass alles in der Harmonie des Meeres und des Ozeans geschieht. Wir können nur auf komplexe Weise die grundlegenden Sinne erspüren, nur manchmal handelt es sich dabei tatsächlich ergreifende und traurige Reflexionen. Die Traurigkeit kann allerdings auch schöpferisch sein. Im Kindertheater sind wir in der Lage, Gefühle zu erzeugen, in deren Bereich ein Gedanke entsteht, jedoch nicht zum Umbruch führt. Die Traurigkeit ist eine solche Möglichkeit, sie ist echt, denn auch Kinder manchmal traurig werden".
Ist die Kleine Meerjungfrau eine Erzählung über den Tod?
- „Mit Sicherheit steht das Finale in gewisser Weise für den Tod. Die Verwandlung der Meerjungfrau in den Schaum bildet den Abschluss eines Zyklus. Jedoch bei der Betrachtung des Stücks und seiner Heldin stelle ich einen anderen Aspekt in Vordergrund – für mich ist es vor allem die Geschichte einer großen Liebe, die auf alles bereit ist. Es ist auch eine Erzählung über den Mut, über die Fähigkeit, ein Risiko einzugehen. Die Meerjungfrau verlässt für die Liebe eine Welt, in der es ihr gut geht, sie ist bereit, im Namen der Werte alles aufs Spiel zu setzen".
Wie wird die Welt der Kleinen Meerjungfrau aussehen?
- „Das Ensemble des Pantomimetheaters ist schon an sich ein Bühnenbild, denn es verwandelt sich zu einem außergewöhnlich schönem Gemälde. Die Unterwasserwelt ist sehr inspirierend. Das Publikum findet in "Hydrokosmos" sowohl die Sprache des Tanztheaters, welche die Unterwasserwelt am besten veranschaulichen kann, als auch die Sprache der Pantomime, welche die Welt jenseits des Wassers wiedergibt. Wir finden auch Bezüge zum Ballett, zum visuellen Theater. Es wird ein sehr lebendiges und plastisches Bild sein. Die Musik wurde speziell für dieses Stück von Tomasz Krzyżanowski komponiert. Wir zeigen zwei verschiedene Welten, die sich berühren. Die Welt der Ozeane scheint organischer und eigenständiger zu sein, deshalb wird dort die Musik eher die Rolle des Hintergrunds, der Faktur und der Audiosphäre übernehmen, weniger als ein deutliches Werk in Erscheinung treten. Die Welt oberhalb des Wasserspiegels ist karikaturartig, dort wird die Musik rhythmischer erscheinen. Wir suchen auch nach Assoziationen, die den Musiktraditionen verschiedener Kulturen entstammen – wir werden östliche und keltische Klänge hören".
Welche Rolle spielt in "Hydrokosmos" die Natur?
- “Zahlreiche Inspirationen beruhen auf Beobachtungen des Wassers in Mikro und Makromaßstab. Ich betrachte einen Wassertropfen, sehe, wie sich eine kleine Alge unter Wasser bewegt, gleichzeitig aber erkenne ich, wie eine große Welle das zerstört, was von Menschenhand erbaut wurde. In einer Szene kommt ein Gewitter vor, es ist die Begegnung der Kräfte der Natur und des Menschen, aber auch die Kraft der Gefühle, welche die Heldin an den Tag legt. Ich trenne nicht zwischen einem Theater für Kinder und einem für Erwachsene. Das mag eine Schwäche von mir sein, ich bin aber überzeugt, dass der Kinderzuschauer dieselbe Sprache spricht wie ein erwachsener Theaterbesucher. Nur der Themenbereich und die Art der Reflexionen haben ein anderes Niveau. Dieses Stück ist sehr gefühlsgeladen und diese Gefühle werden in der Bildsprache zur Schönheit."
Stück für Zuschauer ab 8 Jahren. Premiere am 27. November 2015, um 16.00 Uhr auf der Bühne Scena na Świebodzkim. Regie Konrad Dworakowski, Kostüme und Bühnenbild Maria Balcerek, Musik Tomasz Krzyżanowski. Obsada: Paula Krawczyk-Ivanov, Izabela Cześniewicz, Agnieszka Charkot, Agnieszka Dziewa, Paulina Jóźwin, Agnieszka Kulińska, Sandra Kromer /als Gast/, Anna Nabiałkowska, Monika Rostecka, Artur Borkowski, Anatoliy Ivanov, Jan Kochanowski, Mateusz Kowalski, Zbigniew Koźmiński, Krzysztof Roszko, Mariusz Sikorski, Piotr Sabat, Krzysztof Szczepańczyk.