Von der Europäischen Kulturhauptstadt sieht man in Riga am Jahresende fast nichts mehr – weder Fahnen, noch Flyers und vor allem keine Infos über Veranstaltungen im Rahmen der Kulturhauptstadt. Überall ist es weitgehend leer, selbst auf den Weihnachtsmärkten, die sich auf den drei Hauptplätzen der Altstadt von Riga niedergelassen haben.
Preise im Namen Europas
Den Abschluss des Kulturjahres in Riga bildete die Verleihung der Europäischen Filmpreise am letzten Samstag, den 13. Dezember. Die "Europäischen Oskars" erweckten allerdings keine allzu große Euphorie bei den Einwohnern – in der Nähe des roten Teppichs gab es keine Autogrammsammler, auch keine Massen von Fotoreportern zu sehen. Vielleicht verfolgten Rigas Einwohner diese Veranstaltung vor den Fernsehern, wo man sehen konnte, wie die lettische Kultusministerin bei der Begrüßung der Gäste mit Stolz sagt: "Europa ist nach Lettland zurückgekehrt. Ich glaube nicht, dass die Russen, die hier leben, zum alten Imperium zurückkehren wollen".
Lettland ist Mitglied der Europäischen Union und ab dem 1. Januar 2014 bezahlt man hier in Euro, allerdings ist dieses Land vom Reichtum seiner skandinavischen Nachbarn weit entfernt. Dennoch wurde an jeder Stelle, auch während der EFA-Gala, die europäische Zugehörigkeit Lettlands stets betont, als ob man auf diese Weise den Schatten des alten sowjetischen – und heutigen Putins-Imperium verscheuchen wollte. Es fehlte deshalb auch nicht an Solidaritätserklärungen mit dem in Moskau inhaftierten und des Terrorismus beschuldigten Regisseur Oleg Sencow – an ihn erinnerten Agnieszka Holland und Wim Wenders, die wichtigsten Persönlichkeiten der Europäischen Filmakademie.
Den europäischen Charakter und Demokratie betonte auch der Moderator der Gala Thomas Hermanns, deutscher Schauspieler, der bei der Gelegenheit die Zuschauer auch erinnerte, er sei selbst homosexuell. Er sagte auch, er freue sich, dass der westlich der russisch-lettischen Grenze steht, denn sonst würde man ihn sofort einsperren.
"Ida" ist die beste
"Ida" von Paweł Pawlikowski gewann die fünf wichtigsten Europäischen Filmpreise am Samstag, den 13. Dezember während der 27. Zeremonie der Verleihung der European Film Awards. Es ist zweifellos der größte Erfolg des polnischen Kinos, seit bei der EFA von 1988 der "Kurze Film über das Töten" von Krzysztof Kieślowski Triumphe feierte. Die Filmemacher aus dem "Ida"-Team konnten ihre Freude kaum verbergen. Es kommt vor, dass ein Film, das so viele europäische Preise gewinnt, später bei der Oskargala in Amerika Erfolge feiert.
Liv Ulmann und europäische Stars
Die Gala EFA ist auch die Gala der europäischen Stars. An die Überpräsenz der amerikanischen Schauspieler in der Öffentlichkeit gewöhnt, vergessen wir oft die talentierten Stars des Alten Kontinents. Die Gala von Riga, und in zwei Jahren die von Breslau, bietet dabei eine Gelegenheit, zu betonen, wie gut die Rollen sind, die eben von den europäischen Schauspielern kreiert werden. Viele von ihnen sind Legenden, andere wurden zu Helden der Popkultur. Es verbinden sie allerdings die europäische Herkunft sowie eine Schauspielkunst, ganz anders als die der Amerikaner. Weniger Hollywood und dennoch nicht schlechter. Breslau wird somit ähnlich wie Riga, die besten Schauspieler, Regisseure und Stars begrüßen.
Das Kinofest in Breslau 2016
Der Anfang des Dezembers 2016 wird zum Fest des europäischen Kinos in Breslau, zu einem einzigartigen, speziell im Kontext des alten Spielfilmstudios, wo doch die besten polnischen Regisseure der sog. polnischen Schule ihre Filme machten. Denn hier entstanden Werke wie "Asche und Diamant" von Wajda , "Messer im Wasser" von Polański, "Handschrift aus Saragossa" von Has, oder "Salto" von Konwicki. Nach der Verleihung der EFA – Preise fragte man Pawlikowski, ob "Ida" die Renaissance der polnischen Schule mit sich bringt. Vorerst war die legendäre Bergman Schauspielerin Liv Ulmann von "Ida" begeistert und sagte, es sei eine Reise in die europäische Geschichte und ein Zeichen für den Mut des Regisseurs.
Neben Liv Ulmann zeigten sich auf dem roten Teppich Agnes Varda, Agnieszka Holland, Wim Wenders, Steve McQueen, Allan Starski, Valeria Bruni Tedeschi, Timothy Spall, Brendan Gleeson, Tom Hardy, Alexey Serebryakov, Nikolaj Coster-Waldau, Myroslav Slaboshpytskiy. Es kamen auch polnische Schauspieler - Agata Kulesza, Agata Trzebuchowska (nominiert als die beste Schauspielerin des Jahres für den Film "Ida"), Andrzej Chyra, zu den Moderatoren der Gala gehörte. Unter geladenen Gästen waren auch Kultusminister - Josef Ostermayer (Österreich), Urve Tiidus (Estland), Dace Melbārde (Lettland), Šarūnas Birutis (Litauen), Małgorzata Omilanowska (Polen) and Memli Krasniqi (Kosovo).
Im kleinen Riga findet man kaum große Konzertsäle, deshalb wurden die 1500 Gäste in der Lettischen Nationaloper und im Cinema Splendid Palace untergebracht. Der rote Teppich allerdings wurde in einem neben der Oper aufgestellten Zelt ausgelegt. In Breslau wird es wohl keine Platzprobleme geben – uns steht doch nicht nur die Jahrhunderthalle zur Verfügung, sondern auch das bis 2016 eröffnete Nationale Musikforum. Seine Räume können mit Sicherheit mehr als 2500 Tausend Gäste Platz bieten. Hoffentlich lässt uns auch im Jahr 2016 das polnische Kino nicht im Stich und wir wie dieses Jahr in Riga die Möglichkeit haben werden, polnischen EFA-Laureaten zu applaudieren.
Agnieszka Kołodyńska