Der Friedhof Łyczakowski wurde im Jahre 1786 gegründet. Er gehört zu den ältesten Nekropolen, die noch im Europa existieren. Der Friedhof liegt inmitten von malerischen Hügeln im Osten der Stadt. Auf dem Gelände des Friedhofs Łyczakowski befinden sich rund 300 Tsd. Grabstätten, 2 Tausend von ihnen in Form von steinernen Grabmonumenten, es gibt auch 23 Grabkapellen. Auf den Grabstätten wurden ca. 500 Skulpturen und Reliefs aufgestellt. Ausführliche Friedhofsbücher, die den Bestattungsort nachvollziehen lassen, wurden erst im Jahre 1885 eingeführt.
Die Ruhmesallee
Wenn man das Friedhofstor betritt hat man ein Gefühl, die Grabstätten wurden ohne einen bestimmten Plan angeordnet. Unregelmäßig, ohne Beibehaltung der Linien, rechtwinklig zueinander. Dieses Chaos ist allerdings auch der Grund, dass dieser Ort einmalig und im gewissen Sinne gemütlich erscheint. Einige Gräber haben ihren Kampf gegen den Moos bereits verloren. Die Steine bröckeln, die Grabplatten verwittert, hie und da sind die Inschriften unleserlich geworden. An vielen Stellen werden die begradigten Alleen durch steile und verwinkelte Wege ersetzt. Die Gräber sind echte Denkmäler - die einzigartigen, traurigen und nostalgischen Skulpturen, Gedenkplatten mit persönlichen Widmungen der Angehörigen. Und wenn man die sog. Ruhmesallee betritt, hat man beim Vorlesen der Namen auf manchen Grabsteinen das Gefühl, in einer Enzyklopädie zu blättern: Konopnicka, Ordon, Szajnocha, Zapolska, Mosing und viele andere.
Erinnerung an die Liebe
Zu den ersten Grabstätten, die man gleich nach dem Betreten des Friedhofs bemerkt, gehört die Figur einer traurigen jungen Frau. Mit gesenktem Kopf lehnt sie sich am Kreuz. Das ist das Grab von Artur Grottger. Der Lebenslauf des Hauptvertreters der polnischen Romantik in der Malerei ist ein filmreifes Melodram. Schon als bekannter Künstler lernte er bei einem Ball der Lemberger Schützengesellschaft die 16-jährige Wanda Monne kennen. Die leidenschaftliche Liebe zwischen der blutjungen polnischen Patriotin und dem Maler fand jedoch keinen Segen der Eltern des Mädchens. Der Grund dafür war, dass Grottger trotz seines fantastischen künstlerischen Oeuvres immer noch mit finanziellen Problemen zu kämpfen hatte. Das Paar hatte dachte jedoch nicht an eine Trennung und traf sich weiterhin heimlich. Schließlich ging der Maler nach Paris, in der Hoffnung, dort Erfolg zu bekommen, wo er einen seiner besten Zyklen, den „Krieg“ vollendete. Die Bilder verkaufte er an den österreichischen Kaiser Franz Joseph. Das Schicksal erlaubte ihm jedoch nicht, seine Liebste wiederzusehen. Im Dezember 1867 starb Grottger an Tuberkulose. Wanda hat ihn jedoch nicht vergessen. Sie sammelte mehrere Monate Spenden, um sein Leichnam nach Lemberg zu überführen. Er wurde an einem Ort bestattet, die er sich selbst während eines romantischen Spaziergangs mit seiner Liebsten ausgesucht hatte. Die Verlobte des Künstlers stand für die Skulptur der Klagenden Model, die Inschrift auf dem Grabstein lautet: "Leuchte zu Seinem Gedenken. Dieses Denkmal wurde von Wanda aufgestellt".
Solche ergreifenden Erinnerungsstücke der Vergangenheit gibt es auf dem Friedhof Łyczakowski zu Tausenden. Das sind keine traditionellen Grabsteine, die nur den Namen und das Sterbedatum enthalten. Es sind einzigartige und originelle steinerne Abschiedsgrüße. Wie etwa das Grab einer Mutter, die wenige Wochen nach dem Tod ihrer Kinder starb. Der verzweifelte Ehemann verabschiedete sich von allen drei mit einem Gedicht, das er selbst verfasste: "Nie szczędząc sił do ostatka, życie swych dzieci ratowała matka. Gdy ich nie mogła utrzymać na ziemi, poszła do grobu połączyć się z niemi. Ten który wszystko utracił w ich zgonie, stawia ten pomnik, dwóm synom und żonie" (Ohne die Kräfte bis zum Schluss zu schonen, das Leben der Kinder rettete sie. Als sie diese auf der Erde nicht mehr behalten konnte, folgte sie ihnen weinend ins Grab, um sich mit ihnen zu vereinen. Jener, der mit ihrem Tod alles verloren hat, stiftet dieses Denkmal den zwei Söhnen und der Frau)
Unvergessener Mord
Wenn man weiter durch den alten Teil des Friedhofs geht, kann man leicht ein eisernes Kreuz mit einer kleinen Inschrifttafel übersehen. Das ist das Grab von Lusia Zarembianka. Über ihre Geschichte schrieben in der Zwischenkriegszeit viele Zeitungen. Die 17-jährige Tochter eines bekannten Lemberger Architekten wurde in ihrem eigenen Bett ermordet aufgefunden. Des Mordes angeklagt wurde ihre Gouvernante Rita Gorgonowa, die eine Affäre mit dem Vater des Mädchens hatte. In einem Indizienprozess, der zu den spektakulärsten in Polen der Zwischenkriegszeit gehören sollte, und dessen Atmosphäre fast in Selbstjustiz zu kippen drohte, wurde Gorgonowa zum Tode verurteilt. Nach Revision wurde das Todesurteil in eine langjährige Gefängnisstrafe umgewandelt. Die Frau hat ihre Schuld niemals zugegeben. Bis heute sind auch einige Motive unerklärt geblieben – etwa des unglücklich verliebten Jungen, den Lusia verschmähte, auch der Gärtner stand im Verdacht.
Die Jungen Adler
Fast am Ende des Friedhofs befindet sich ein besonderer Ort. Die Hänge des Hügels bedecken tausende gleiche Kreuze mit weiß-roten Schleifen. Das ist der Friedhof der Lemberger Adler. Dort befinden sich Grabstätten der Gefallenen der Schlachten um Lemberg und Westliches Kleinpolen aus den Jahren 1918-1920. Unter den fast 3000 dort bestatteten Soldaten waren viele Schüler und Studenten. Um den ganzen Friedhof Łyczakowski zu besichtigen, braucht man eigentlich mehr als einen Tag. Viele Menschen kehren zu diesem Ort zurück und erfahren jedes Mal eine andere Geschichte. Die Zeit ist leider grausam. Der Sandstein bröckelt, die Inschriften werden unleserlich und auch die Ukrainer versuchen immer wieder, die polnischen Spuren von Łyczaków zu verdecken. Deshalb ist ein Besuch auf dem Friedhof die einzige Möglichkeit, unsere Anwesenheit dort festzuhalten.