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40 Jahre „Solidarność”. Programm der Feierlichkeiten in Wrocław

2020 jährt sich zum 40 Mal die Gründung der NSZZ „Solidarność” in Wrocław. Das Programm der Feierlichkeiten - einer der wichtigsten Veranstaltung in diesem Jahr in der Hauptstadt Niederschlesiens, wurde vom Organisationskomitee der Feierlichkeiten in Wrocław vorbereitet, die Schirmherrschaft übernahm der Präsident der Republik Polen.

– "Die Entstehung der „Solidarność” in Wrocław hatte für diese Stadt eine besondere Bedeutung, trug sie doch zum Aufbau und Konsolidierung der polnischen Identität bei" - sagt Dr. Marek Mutor, Direktor des Geschichtlichen Zentrums Zajezdnia. – "An Veranstaltungen, die im Rahmen der diesjährigen Feierlichkeiten stattfinden, möchten wir besonders stark betonen, dass das, was im August ’80 geschehen war, nur durch seine gemeinschaftliche Dimension Erfolg haben konnte. Zu den wichtigsten Protagonisten der Feierlichkeiten werden die Teilnehmer des Streiks im Depot, die mit Ehrenauszeichnungen gewürdigt werden.

Das umfangreiche Programm umfasst rund einen Dutzend Veranstaltungen, die lange vor dem eigentlichen Jahrestag der Ereignisse von August ’80 angefangen haben. Wegen der Pandemie wurde ein Teil von ihnen ins Internet verlegt, doch der wichtigste Punkt des Programms - die Eröffnung der Ausstellung „Das Depot streikt” im Geschichtlichen Zentrum Zajezdnia – findet wie geplant am 26. August dieses Jahres statt. Zu diesem Zeitpunkt sind auch die wichtigsten Feierlichkeiten des diesjährigen Jubiläums vorgesehen.

Programm der Feierlichkeiten in Wrocław:

14.–25. August

Ausstellung des IPN „Hier wurde Solidarność geboren" | Platz am Hauptbahnhof Wrocław Główny

26. August, Geschichtliches Zentrum Zajezdnia

  • 09:30 Start des „Laufs der Solidarität"
  • 10:00 Kranzniederlegung vor der Gedenktafel
  • Vernissage der Ausstellung „Das Depot streikt ”

28. August

  • 12:00 Feier anlässlich der Verleihung dem Konferenzsaal im Depot Nr. 9 in ul. Obornicka den Namen von Tomasz Surowiec
  • 15:00 Feier anlässlich der Benennung der Platzanlage zwischen ul. Środkowa und ul. Szczepińska mit dem Namen von Kornel Morawiecki

30. August

  • 12:00 Heilige Messe anlässlich des 40. Jahrestags der Messe, die während des Streiks im Depot in der   ul. Grabiszyńska zelebriert wurde | Kirche des hl. Klemens Dworzak
  • 14.00 Buchvorstellung „Uśmiechnięty wojownik” [Der lächelnde Krieger] aus der Serie „Seria Biało-Czerwona”. Treffen mit den Autorinnen: Maria Wanke-Jerie und Małgorzata Wanke-Jakubowska | Geschichtliches Zentrum Zajezdnia

Das aktuelle Programm befindet sich auf der Seite www.zajezdnia.org

Zeittafel des Streiks

  • August - Ausformulieren der 21 Forderungen (Gdańsk)
  • August - Bekanntgabe der 21 Forderungen (Gdańsk)
  • August - Jerzy Janiszewski gestaltet das Logo von NSZZ Solidarność
  • August - Flugblatt mit den 21 Forderungen erreicht Wrocław
  • August - 03:40 - Busse fahren in die Stadt. Das Flugblatt wird im Busdepot Nr. 7 in der ul. Grabiszyńska gelesen, man beschließt dort, den Streik anzutreten
  • August - 06:00 - Das Tor zum Depot wird verbarrikadiert
  • August - Gründung des betriebsübergreifenden Streikkomitees, Verbindungsleute werden in andere Depots geschickt
  • August - 12:00 - Alle Depots streiken. Die Fahrzeuge kehren zurück. Ein Aufruf an die Einwohner Wrocławs
  • August - 178 Betriebe streiken
  • August - Der Woiwode Janusz Owczarek besucht das Depot. Konzert von Roman Kołakowski.
  • August - 16:00 - Hl. Messe im Depot. Zwei Autos mit Delegierten fahren nach Gdańsk. 
  • August - Teilnahme an den Verhandlungen im BHP-Saal. Unterzeichnung der 21 Forderungen in Gdańsk
  • August - 16:00 - Hl. Messe im Depot. Konzert der Oper Wrocław. Die Delegierten verlassen Gdańsk und fahren zurück nach Wrocław, Unterzeichnung der Dokumente durch den Woiwoden Janusz Owczarek.
  • September- Rückkehr der Delegierten aus Gdańsk. Ende des Streiks. Die Busse fahren wieder in die Stadt raus.

Für Gdańsk -  – der Streik im Busdepot Nr. 7 in Wrocław

Wojciech Kucharski

Soziale Spannungen, die ihren Höhepunkt in dem Wendemonat August 1980 erreichen sollten, waren in Polen schon seit Längerem zu spüren. Schon im Juli 1980, nach der Erhöhung der Preise für Fleisch kam es zu Massenprotesten. Die meisten Streiks gab es in der Region Lublin. Den Machthabern gelang es damals, die Lage durch vorübergehende Zugeständnisse zu beruhigen. Es schien, dass die Normalität langsam einkehrt. Die wichtigsten Würdenträger waren in den Urlaub gefahren, Edward Gierek besuchte Leonid Breschnew auf der Krim und der Großteil der Einwohner Polens ließ sich für die sportlichen Wettkämpfe während der olympischen Spiele in Moskau begeistern. Zu der sprichwörtlichen ersten Schwalbe, die die Wende ankündigte, wurde im gewissen Sinne das Verhalten von Władysław Kozakiewicz nach seinem Sieg im Stabhochsprung während der olympischen Spiele. Als der Pole trotz des unsportlichen Benehmens der Sportler und des sowjetischen Publikums gewann und sogar einen neuen Weltrekord festlegte, zeigte er in Richtung Publikum (doch im übertragenen Sinne der ganzen Sowjetunion) eine Geste, die für viele beleidigend erschien und dennoch symbolisch, dass die Polen trotz aller Hindernisse gewinnen werden.

Die damalige Presse schien das Gewitter nicht zu bemerken, das sich von der Ostseeküste näherte. Sie beruhigte die Bürger mit Beiträgen über die Sommerferien, über das Wetter an der Ostsee, das Klavier von Frederic Chopin, das auf Mallorca wiedergefunden worden war, die neuen Erwerbungen von Ossolineum, bzw. über den Krieg der Sterne, der gerade in die Kinos kam. Nur wenige von uns können sich noch erinnern, dass es ausgerechnet im August 1980 bei Bydgoszcz zum größten Bahnunglück in Polen der Nachkriegszeit kam. Selbst den Anfang des August-Streiks in Gdańsk kommentierten die Tageszeitungen mit einem nichtssagenden Titel „Störungen im Arbeitsrhythmus”.

Nach Diskussionen in der Nacht vom 17. auf den 18. August wurden in Gdańsk die berühmten 21 Forderungen veröffentlicht (heute in die Weltkulturerbe-Liste von UNESCO Gedächtnis der Welt eingetragen). Es war der Anfang der Mitteilungen an die polnische Gesellschaft und die Welt, dass die Arbeiter an der Ostseeküste nicht nur um existenzielle Belange kämpfen, sondern auch um Rechte, bzw. wie man damals sagte, um die bürgerlichen Freiheiten.

Dieser Wert der allgemeinen Rechte wurde auch außerhalb von Gdańsk bemerkt. Darunter auch in Wrocław, wo schon am 19. August die Redaktion von „Biuletyn Dolnośląski”, die Oppositionelle um Kornel Morawiecki und Jan Waszkiewicz versammelte, ein Flugblatt herausgab, das zur Unterstützung für die Streikenden in Gdańsk aufrief. 

Eine Woche später (d.h. am 26. August) begannen zwei Busfahrer, Tomasz Surowiec und Bohdan Jetz, unterstützt vom Mechaniker und Fahrtenbegleiter Czesław Stawicki den Streik im Busdepot Nr. 7 in der ul. Grabiszyńska (dem heutigen Sitz des Museums – Geschichtliches Zentrum Zajezdnia). Viele Jahre später wird Władysław Frasyniuk Surowiec als den „Lech Wałęsa von Wrocław” bezeichnen. Sehr schnell schlossen sich der Protestaktion auch andere Depots an und innerhalb von wenigen Morgenstunden wurde der öffentliche Verkehr in Wrocław lahmgelegt. Der Streik in diesem Betrieb war sehr wichtig, denn die Einwohner der Stadt, die seit frühen Morgenstunden auf Busse und Straßenbahnen warteten, bemerkten, dass irgendetwas vor sich geht. In vielen Erinnerungen kommt immer wieder ein Satz vor, der die Reaktion auf den fehlenden Bus an dem kühlen Morgen am 26. August zusammenfasst – „Es hat angefangen”. 

Währenddessen kamen im Depot in der ul. Grabiszyńska Vertreter verschiedener Betriebe zusammen, die ebenfalls beschlossen hatten, sich dem Streik anzuschließen, außerdem „Berufsoppositionelle”, vor allem aus den Kreisen um SKS (Studentische Solidaritätskomitees) und KSS KOR (Komitee zur Verteidigung der Arbeiter), die sich schon seit Ende der 70er Jahre aktiv am Kampf um die Freiheit beteiligten. Unter den ersten waren Jarosław Broda, Stanisław Huskowski, Piotr Starzyński, Krzysztof Turkowski und Tomasz Wacko. Später schlossen sich ihnen die Professoren Mirosława Chamcówna, Roman Duda und Dr. Jan Waszkiewicz und viele andere an. Mit ihrer Hilfe organisierte man auf dem Depotgelände schnell eine Druckerei, in der regelmäßig Streik-Mitteilungen gedruckt wurden, mit den wichtigsten Informationen über den Verlauf des Streiks, es wurde ein Informationsbüro eröffnet, das in einem der Busse eingerichtet war und Wachposten aufgestellt. Die Menge der hinzugekommenen Vertreter wurde von Stunde zu Stunde größer. Schon am Nachmittag den 26. August waren sie so viele, dass man beschloss, einen Vorstand des Betriebsübergreifenden Streikkomitees (MKS) zu wählen. An seine Spitze wurde Jerzy Piórkowski berufen, ein Busfahrer vom Depot Grabiszyńska und gleichzeitig Mitglied in der polnischen Arbeiterpartei PZPR, der auch Vertrauen und Ansehen unter den Mitarbeitern genoss. Durch die Zusammenarbeit mit den Aktivisten aus dem Klub der Katholischen Intelligenz, genauer gesagt mit Maciej Zięba (damals Physiker, heute Dominikanerpater und Philosoph), erfuhr Erzbischof Henryk Gulbinowicz vom Streik und äußerte schon bald öffentlich seine Unterstützung für die Streikenden. Ein sichtbares Zeichen der Unterstützung seitens der Kirche waren die Feldmessen, die im Depot in ul. Grabiszyńska am 29. und 31. August zelebriert wurden, unter Vorsitz des studentischen Seelsorgers P. Stanisław Orzechowski. Gottesdienste wurden auch in anderen Depots veranstaltet. Diese enge Beziehung zwischen der Kirche und den streikenden Arbeiter war ein Phänomen der polnischen Arbeiterbewegung, das in dieser Form nirgendswo auf der Welt anzutreffen war.

Viele Streikende können sich bis heute an die große Unterstützung seitens der Stadtbevölkerung erinnern, nicht nur an das Verständnis für die gravierenden Unannehmlichkeiten im Alltag, sondern auch an das aktive Engagement in Form von Versorgung mit Essen und anderen notwendigen Materialien, Unterstützung beim Transport und Kommunikation in der ganzen Stadt, sogar an Geldspenden, das über den Zaun des geschlossenen Depots geworfen wurden. Eine außergewöhnliche Geste kam auch von den Mitarbeitern der Oper Wrocław, die am 31. August auf dem Platz vor dem Depot ein Konzert aus bekannten Opernstücken veranstalteten, u.a. mit Fragmenten aus dem „Gespensterschlosses” von Stanisław Moniuszko.

Innerhalb von 6 Tagen waren es mehr als 170 Streikkomitees, die im MKS Wrocław versammelt waren und so erstreckte sich die Protestaktion  auf ganz Niederschlesien. Es ist bis heute ungeklärt, von wem die Idee kam, dass der Streik von Wrocław ein Solidaritätsstreik sein soll - d.h. Wrocław sollte keine eigenen Forderungen stellen, sondern für Gdańsk streiken. Jahre später sagte Kornel Morawicki, der Streik von Wrocław hätte den Wind von der Ostsee in ein Gewitter über Polen verwandelt. Wir würden gerne meinen, dass damals in Wrocław die Idee der Solidarność - der Solidarität geboren wurde, sowohl im wahrsten Sinne des Wortes als auch der späteren Bewegung.

Ein ernsthaftes Problem für die Streikenden von Wrocław war die fehlende Verbindung mit Gdańsk. Wenige Tage vor dem Monatsende wurden nach Gdańsk drei Delegationen entsandt, die in Erfahrung bringen sollten, wie weit die Verhandlungen gerade sind und ggf. den Abschluss des Abkommens zu bestätigen. Die erste Delegation wurde im Zug von der Miliz aufgehalten, die zweite erreichte die Ostseeküste mit einem Skoda (der Fahrer war Bolesław Czernewcan, unter den Mitfahrern war Bogdan Ziobrowski), die dritte mit einem Fiat 125 (zu dieser Delegation gehörten Antoni Skinder und Hubert Hanusiak). Nach der Ankunft in Gdańsk wurden die Wrocławer von Bogdan Lis betreut. Die Vertreter aus Wrocław waren unter den Arbeitern im BHP-Saal der Werft während der Unterzeichnung des Augustabkommens. Doch um den Streik in Wrocław zu beenden benötigten sie eine beglaubigte Kopie der schriftlichen Fassung des Abkommens. Sie erhielten sie erst vom MKS Gdańsk mit der Unterschrift von Anna Walentynowicz. Am 1. September, gegen 4 Uhr morgens kehrten die Delegierten ins Depot zurück, wo im Beisein des Woiwoden von Wrocław Janusz Owczarek der Inhalt des Abkommens vorgelesen wurde. Einige Stunden später kehrten die Busse und Straßenbahnen zurück auf die Straßen.  

Ca. zwei Wochen später riefen die Delegierten aus ganz Polen eine gesamtpolnische Organisation ins Leben: die Unabhängige und Selbstverwaltete Gewerkschaft Solidarność.

Für Wrocław, dessen die Bevölkerung nach 1945 fast vollständig ausgetauscht wurde und das seine moderne Identität immer noch gestaltet, gilt der Streik im Depot in der ul. Grabiszyńska als eines der Fundamente und zugleich jener Momente, in dem sich die kürzlich noch neuen Bewohner der Stadt dort endlich wie zuhause fühlten.  

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