Am 13. Dezember 1981 führte Gen. Wojciech Jaruzelski, der damalige Premierminister und Erste Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei im gesamten Land das Kriegsrecht ein. Tausende Menschen wurden verhaftet und interniert – allein aus Wroclaw wurden laut den Angaben von IPN rund 1500 aktive Mitglieder der Solidarność bzw. andere Personen, die von den Machthabern der regierungsfeindlichen Aktivitäten beschuldigt wurden, in Internierungslager eingesperrt. Verboten wurden jegliche Aktivitäten aller Organisationen, Versammlungen und Streiks, für mehrere Wochen wurde der Druck der meisten Zeitschriften eingestellt. Die Reisefreiheit wurde eingeschränkt. Tausende Milizionäre und Soldaten patrouillierten die Straßen.
Streiks in Wroclaw
Der damalige Vorsitzende der Solidarność für Niederschlesien Władysław Frasyniuk stieg am Abend, den 12. Dezember nach dem Abschluss der Sitzung der Landeskommission der "Solidarność" in Gdańsk mit seinen Mitarbeitern in den Zug nach Wroclaw ein. Unterwegs warnten die Bahnmitarbeiter die Delegierten aus Wroclaw vor der Einführung des Kriegsrechts und halfen Frasyniuk, aus dem Zug zu fliehen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft erreichte das Straßenbahndepot MPK in der ul. Grabiszyńska, wo sich auch sein Arbeitsplatz befand. Dort gründete er u.a. mit Unterstützung von Piotr Bednarz das Regionale Streikkomitee. In der am 14. Dezember veröffentlichten Ausgabe der Zeitung der Solidarność "Z dnia na dzień" (Tag für Tag) wurde der Generalstreik ausgerufen. Dem Streik angeschlossen haben sich über 30 Betriebe und Einrichtungen, u.a. Pafawag, MPK, Elwro, Dolmar, Archimedes sowie die Universität Wroclaw und die Landwirtschaftsakademie. An kommenden Tagen streikten auch die Technische Hochschule, Mostostal, Stocznia Rzeczna, Cuprum und ZNTK. Weitere Streiks wurden von der Miliz unter Gewaltanwendung aufgelöst, es wurden dabei rund 1200 Menschen verhaftet. Am 18. Dezember schlug die Miliz Studentendemos auf dem pl. Grunwaldzki nieder. Die Streiks waren nicht die einzige Protestform gegen die Machthaber. Bei Pafawag unterbrachen die Mitarbeiter von zwei Abteilungen ihre Arbeit und gedachten mit Schweigeminute den Bergarbeitern aus dem Kohlebergwerk "Wujek", die bei dem Angriff der Miliz getötet worden waren. In vielen Betrieben wurden Spenden für die Internierten und ihre Familien gesammelt.
80 Millionen
Wie Dr. Łukasz Kamiński vom IPN schreibt, koordinierte das Regionale Streikkomitee nicht nur die Streikaktionen auf dem Gebiet von Niederschlesien. Zu seinen Strukturen gehörten Abteilungen für Finanzen, Druck und Vertrieb, Kommunikation und sogar für Spionage. Einige Tage vor der Einführung des Kriegsrechts hob Solidarność von ihrem Bankkonto 80 Mio. Zloty ab, die bei Kardinal Henryk Gulbinowicz deponiert wurden. Auf diese Weise konnte das Geld von den kommunistischen Machthabern nicht beschlagnahmt werden. Diese Geschichte wurde von Waldemar Krzystek in seinem Film "80 Millionen" dargestellt. Das gerettete Geld wurde u.a. für die Unterstützung der Familien der Inhaftierten verwendet.
Gas in der ZOMO-strasse
In Wroclaw gingen die Sondereinheiten der ZOMO (Motorisierte Reserven der Bürgermiliz) und das Sicherheitsdienst alle paar Tage gegen unabhängige Gruppen vor, die oft außerhalb größerer Strukturen tätig waren und sich überwiegend mit Druck und Vertrieb von Flugblättern beschäftigten. Unter ihnen waren Arbeiter, Studenten und sogar Schüler der Mittel- und Grundschulen. Als ein populäres Zeichen des Protests gegen die Kommunisten waren kleine Radiodioden, die in die Klappe des Jacketts eingesteckt wurden. An jedem Monatstag nach der Einführung des Kriegsrechts wurden in der ul. Grabiszyńska vor der Gedenktafel der Solidarność Blumen niedergelegt, bei der Gelegenheit kam es zu Demonstrationen, die mittels Wasserwerfern und Tränengas von der Miliz gewaltsam aufgelöst wurden. Deshalb nannten die Stadteinwohner im Volksmund den Platz Pereca "Gas-Platz", die Grabiszyńska wurde als die "ZOMO-strasse" bezeichnet. Die größte Demonstration fand am 31. August 1982 statt – am zweiten Jahrestag der Unterzeichnung der Augustvereinbarungen. Bei den Protesten, die in offenen Kämpfen gegen die Miliz mündeten, beteiligten sich in Wroclaw an mehreren Orten 50 Tsd. Menschen. Bei den Unruhen starb Kazimierz Michalczyk, einige hundert Personen wurden verhaftet.
Im Wroclaw war das Radio Solidarność tätig, dessen Sendungen von einigen Minuten bis zu Viertelstunde dauerten. Einen Sender in der Stadt hatte auch Solidarność Walcząca (die Kämpfende Solidarität), die im Mai 1982 gegründet wurde.
Die Anführer der Solidarność Wroclaw Władysław Frasyniuk, Piotr Bednarz und Józef Pinior wurden erst im Herbst 1982 von der Miliz festgenommen. Trotz ihrer Verhaftung blieb der Widerstand der Einwohner Wroclaws weiterhin groß. Es gab aktive Strukturen der Untergrundsbewegung der Solidarność, in Wroclaw wurde die Bewegung der Unabhängigen Jugend gegründet, die Schüler der Mittelschulen versammelte, auch die Mitglieder von NZS waren aktiv. Regelmäßig erschienenen die Untergrundszeitschriften, es gab einen unabhängigen Radiosender und eine Gruppe der Polnisch-Tschechoslowakischen Solidarität, die im Riesengebirge Treffen der Oppositionellen beider Länder organisierte.