Im August wird Ewa Kuryłowicz zusammen mit den Kollegen, die das Projekt leiten (Architekten Dariusz Gryta und Piotr Marciniak), die letzten Arbeiten vor der Eröffnungssaison des Nationalen Musikforums (NFM) beaufsichtigen, am 19. September möchte sie gemeinsam mit den Architekten aus ihrer Werkstatt das 25. Firmenjubiläum feiern. Sie werden die Sinfonie der Tausend von Gustav Mahler hören, im Gebäude, das vom mittlerweile verstorbenen Stefan Kuryłowicz und dem ganzen Team entworfen wurde.
Magdalena Talik: NFM ist das Lieblingsprojekt von Frau Professor?
Professor Ewa Kuryłowicz: Alle Projekte sind für uns wichtig, doch dieses ist für uns aus vielen Gründen besonders, auch weil es ein öffentlicher Auftrag ist. Bisher haben wir Entwürfe für Wissenschaft, Sport, Wirtschaft, öffentlichen Transport ausgearbeitet, aber noch niemals für die Kunst. Schon allein der Sieg im Wettbewerb vor 10 Jahren war einzigartig und mit nichts vergleichbar.
Wroclaw spielte dabei auch eine gewisse Rolle.
Auf jeden Fall, denn Musikhören haben mein Mann und ich immer mit Wroclaw verbunden, mit der Stadt der fantastischen Festivals und außergewöhnlichen Kirchen, in denen Musik erklingt. Als ich noch das Lyzeum besuchte, war ich Mitglied in der Gesellschaft der Kunstfreunde an der Galerie Zachęta in Warszawa und wir machten sehr spannende Reisen, mit dem Ziel, historische Sehenswürdigkeiten kennenzulernen. Wir waren auch in Wroclaw, Legnica und Świdnica. Ich lernte dabei das gotische und barocke Wroclaw kennen. Einmalig.
Als Sie am Entwurf für NFM gearbeitet haben, haben Sie sich an konkreten Konzertsälen der Welt orientiert?
Wir haben uns an den Kenntnissen meines Mannes gestützt. Er gewann schon mal den Wettbewerb für die das Gebäude der Opera Bałtycka, für das Kultur- und Musikzentrum in Katowice, das Operettenhaus Operetka Dolnośląska, er promovierte über das Thema Konzert- und Theatersäle, war wirklich davon fasziniert. Vor dem Beginn der Arbeiten haben wir viel gelesen, Vergleichsbeispiele angeschaut, es gab aber keine direkte Inspiration. Mit Sicherheit halfen uns meine Notizen und Materialien, denn noch als Studentin 1974 war ich ein Semester in den Staaten als Stipendiatin und habe mir die Säle in den damals noch neuen Orchestra Hall in Minneapolis, in Symphony Hall in Boston, in Roy Thomson Hall in Toronto angeschaut, die Juillard School of Music in New York und Carnegie Hall gesehen. Alle perfekt und in vielen Musterbüchern für Konzertsäle als Beispiele aufgeführt.
Im Buch "Jak działa architektura. Przybornik humanisty" (Wie wirkt die Architektur. Ein Handwerkzeug des Humanisten) meint der exzellente Hochschullehrer Witold Rybczyński, dass die besten Konzertsäle im 19. Jh. entstanden sind.
Die aufgeführten, wie der Musikverein in Wien, haben bestimmte Maße, sie "spielen" schön. Ein Konzertsaal ist wie ein Instrument, das klingen muss. Um dies zu verwirklichen, ist alles wichtig. Die Aufstellung der Stühle, der Abstand zwischen ihnen, Textilstoff, Ausstattung. Nach dem Entwurf eines großen Konzertsaals widmet man sich den Details. Aber auch ein Instrument, scheinbar selbstverständlich, ist komplexer aufgebaut, als es am Anfang scheint. Sind die aus dem 19. Jh. tatsächlich die besten? Die Zeit wird es zeigen
Gebäude des Nationalen Sinfonieorchesters von Polskie Radio in Katowice
Das Gebäude wurde von der Form eines Instruments inspiriert
Dies bezieht sich eher auf die Details – Holzelemente aus Prodema, d.h. mehrerer mit Harz zusammengeklebten Furnierschichten, Elemente aus goldenem Blech – ahmen Materialien nach, die man für den Bau der Musikinstrumente verwendet.
Die Musikliebhaber erblicken nach dem Betreten des Gebäudes eine große schwarze Wand aus Corian, einem Kunststoff, der dem Naturstein zum Verwechseln ähnlich sieht. Wird der Effekt nicht überwältigend? Das Schwarz der Wände, die weißen Balkone
Nein, dieser Ort soll feierlich aussehen und ich denke, dass die Proportionen der Eingangshalle perfekt gelungen sind. Wir sollten keine Angst vor dem schwarzweißen Foyer haben, denn es betont den Charakter dieses Bauwerks. Wenn wir uns für einen besonderen Anlass anziehen, verbinden wir auch Schwarz und Weiß zusammen. Wir wollten etwas Gehobenes, das jeden ansprechen wird, allerdings ohne irgendwelche Ornamente, denn sie würden nicht zu der neomodernistischen Architektur passen, die für diesen Entwurf Pate stand.
Wir dürfen stolz auf uns sein. Es wird einer der größten Komplexe der Konzertsäle in diesem Teil Europas.
Man kann es vorerst nur mit der gleichzeitig gebauten Elbphilharmonie in Hamburg vergleichen. Wir haben eine vergleichbare Kapazität der Säle, obwohl in Deutschland zehnfach so hohes Budget für Investitionen zur Verfügung steht. Das Gebäude von NFM wiederum ist etwas größer als die Elbphilharmonie, denn es auch als Sitz der Institution dienen soll.
Philharmonie von Szczecin auf der Titelseite der Zeitschrift "Icon"
Auch in Polen sorgt NFM für Eindruck.
Stimmt, sogar trotz der Eröffnung einiger neuen Objekte in den letzten Jahren wie der Opera Podlaska in Białystok oder der Philharmonie von Szczecin. Das zweite der genannten Entwürfe ist besonders gelungen. Er wurde mit dem besonders angesehenen europäischen Mies van der Rohe-Preis 2015 ausgezeichnet. Mein Mann war u.a. im Wettbewerbsjoury für dieses Objekt und wünschte sich sehr, dass diese Arbeit gewinnt, da es sehr innovativ, außergewöhnlich war. Wir dürfen auch nicht das NOSPR in Katowice vergessen. Der dortige Saal wird sehr positiv aufgenommen. Ich weiß, dass man sich Sorgen machte, die Säle in Katowice und in Wroclaw würde man zur selben Zeit eröffen. Das Risiko besteht nicht mehr und das NFM ist das letzte Gebäude, das noch ungeduldig erwartet wird. In Polen geht der Bau der großen Kulturobjekte vorerst zu Ende. Jetzt wird es zeit, sie zu nutzen!