Menschenmassen mit Ausweisen, Strand auf Pl. Solny und Großleinwand auf dem Ring – schwer zu übersehen, dass das Festival Nowe Horyzonty gerade begonnen hat. Ich habe mich bisher noch nie aktiv daran beteiligt. Nur ein Mal war ich in einem Film, der auf dem Ring gezeigt wurde und das war’s. Ehrlich gesagt, verband ich das Festival überwiegend Menschen, die permanent Kaffee und ein Getränk auf Yarba Mate-Basis trinken und sich von ihren Ausweisen nicht trennen können, selbst wenn sie nicht im Kino waren. Ehrlich gesagt ,fand ich es ein bisschen komisch, jedoch erst bei der offiziellen Festivaleröffnung erfuhr ich, dies sei keine Angeberei, sondern eine völlig vernünftige Sache, die oft über das "Sein oder Nichtsein" des Betroffenen entscheidet.
"Band durchschneiden", Danksagungen und Späße
Die Festivaleröffnung wurde wie letztes Jahr vom Journalisten Maciej Chmiel moderiert. Er verglich die Veranstaltung mit einem Gymnasiumsschüler, denn das erste Festival wurde vor 15 Jahren eröffnet. Den Vergleich finde ich perfekt, denn sowohl das Festival als auch die Gymnasiumsschüler waren bisher für mich etwas, was es gibt, existiert, womit ich aber nicht unbedingt zu tun haben möchte. Das Thema der Gymnasiumsschüler bleibt für mich in diesem Kontext vorerst offen, für das Festival hingegen lasse ich mich langsam gewinnen.
Das 15. T-Mobile Nowe Horyzonty begann verständlicherweise mit Reden von Menschen, ohne die es die Veranstaltung nicht geben würde. Anwesend waren also: der Direktor und Schöpfer des Festivals, Roman Gutek, der das Geheimnis seines faltenlosen Fotoschootings für eine Zeitschrift preisgab, bewarb auf diese Weise Produkte einer Kosmetikfirma – eines der Sponsoren der Veranstaltung, der Präsident der Stadt Wroclaw Rafał Dutkiewicz, der witzigerweise bemerkte, dass das Festival teurer geworden ist, als "Romek" vor 10 Jahren angekündigt hatte, der neue Vorstand von T-Mobile Adam Sawicki, der versprach, dass das Festival mit Sicherheit weiterhin von der Firma unterstützt wird, sowie die künstlerische Direktorin Joanna Łapińska, die eine überraschende Geschichte erzählte, dass ihr wenige Jahre alter Sohn die Grenze ohne Reisepass, dafür mit dem Ausweis des Festivals überschreiten konnte – diese Erklärung stellte in einem neuen Licht die Teilnehmer, die sich von ihren Ausweisen niemals trennen.
Und all das, weil ich mich für den richtigen Film entschieden habe
Ich bin der klassische Popcornfresser, ich mag einfach gutes Kino, dass fesselt, für Freude sorgt oder bewegt und spannend ist, für mich zählen die Emotionen hier und jetzt, möchte mich deshalb nicht auf große Vergleichen und Assoziationen mit der Filmgeschichte einlassen.
Das Festival begann mit drei Filmen: "Amy" in der Regie von Asif Kapadia, "The Assassin" von Hao Hsiao-hsien sowie "The Brand New Testament" von Jaco Van Dormael, ich kam in den letzteren und diese zwei Stunden bewirkten, dass das MFF T-Mobile Nowe Horyzonty für mich eine neue Bedeutung erlangte. Das ist einer der besten Filme, die ich bisher sah! Ich schreibe das als ein völliger Kinolaie, der nur ab und zu ins Kino geht und wenige Lieblingsfilme hat, darunter "Forrest Gump", "Big Fish" oder "Fight Club". "The Brand New Testament" handelt von einem hässlichen, bösartigen und asozialen Gott, der die Menschen mit lauter Unheil überhäuft und sie mittels ausgefallener eigens ausgedachter Regeln "ärgert" wie etwa "die Schlange neben uns bewegt sich immer schneller", oder "die geschmierten Brotscheiben fallen immer mit der Marmelade nach unten". Es gibt auch seine verängstigte Frau, die immer ihren geliebten Sohn Jesus Christus vermisst und die Tochter Ea, Jesus’ Schwester, die von der Tyrannei des Vaters genug hat und sich in die Welt der Menschen begibt, um mit Hilfe von sechs neuen Aposteln das Völlig Neue Testament zu schreiben. Diese Geschichte im Film zu zeigen ist ebenso absurd wie sie selbst – im positiven Sinne. im Kinosaal brachen die Zuschauer immer wieder im Gelachter aus und nach dem Ende gab es kräftigen Applaus. Völlig gerecht!
Nach diesem Film wollte ich den nächsten, und dann den übernächsten sehen, also bin ich wohl zu einem Teil von Nowe Horyzonty geworden. Schön so.
Fot. Pressematerial