Die 1962 in Sulechów geborene Olga Tokarczuk ist eine Person, die „keine Arbeit scheut” – wie die berühmteste polnische Arbeitende Frau (aus der beliebten polnischen Serie „Der Vierzigjähriger“ Anm. d. Übers.) zu sagen pflegte. Und obwohl sie in einem Jagdschloss der Radziwiłł großgeworden ist, legt sie offensichtlich keinerlei Starallüren an den Tag.
Das Fräulein aus dem Schloss
Das Dorf Kletnica liegt in der Woiwodschaft Lebus. Dort nämlich, in der ehemaligen Residenz der Radziwiłł von 1884 verbrachte Olga Tokarczuk die ersten 10. Jahre ihres Lebens. Ihre Eltern arbeiteten an der Volksuniversität von Lebus, an der sowohl Jugendliche als auch Erwachsene unterrichtet wurden. Olgas Vater Józef Tokarczuk gab dort Tanzunterricht.
Umzug in die Region Opole
Familie Tokarczuk zog anschließend nach Kietrz in der Wojewodschaft Oppeln, in der Nähe der tschechischen Grenze. Dort bestand Olga Tokarczuk das Abitur an dem Allgemeinbildenden Lyzeum C.K. Norwid, dann machte sie sich auf die Suche nach einem Studienplatz. Wrocław lag nicht weit und lockte mit seinem großen akademischen Zentrum und mit dem nicht minder interessanten künstlerischen Zentrum Niederschlesiens. Doch mit dem Studium dort hat es letztendlich nicht geklappt.
Psychologin aus Warszawa
Sie entschloss sich für ein Psychologiestudium an der Universität Warszawa. Als Freiwillige betreute sie Menschen mit psychischen Problemen. Sie beschloss, in einer psychiatrischen Klinik zu arbeiten, doch nach dem Studium wollte sie Warszawa verlassen. Damals versteckte sie sich noch mit ihrer schriftstellerischen Leidenschaft und verschloss die ersten Werke in der Schreibtischschublade.
Therapeutin aus Wałbrzych
Sie zog nach Wałbrzych und begann ihre Arbeit als Psychotherapeutin an der dortigen Praxis für psychische Gesundheit. Für diese Tätigkeit blühte sie richtig auf. Sie half, in dieser Stadt die ersten Klubs der Anonymen Alkoholiker zu gründen.
Im Alter von 24 Jahren brachte sie ihren Sohn Zbyszko zur Welt. Sein Vater war ebenfalls Psychologe, mit dem Olga Tokarczuk Integrationsgruppen und interpersonelle Trainings leitete. Zbyszko gestaltete seine berufliche Laufbahn ähnlich wie die Eltern – er schloss ein Studium der sozialen Psychologie ab.
Schriftstellerin aus Krajanow und Wrocław
Vor 26 Jahren fand Olga Tokarczuk ihr neues Zuhause in Krajanów im Landkreis Kłodzko, in der Gemeinde Nowa Ruda. Heute lebt sie zusammen mit ihrem zweiten Ehemann Grzegorz Zygadło, der der erste Rezensent ihrer Bücher ist und zugleich derjenige, der sich um alles kümmert, vor allem in der Zeit, wenn die Schriftstellerin auf einer ihrer mittlerweile unzähligen Reisen ist.
In Wrocław, im Haus im Stadtteil Krzyki, ließen sie sich wiederum vor 13 Jahren nieder. Doch die Verbindung zwischen der Schriftstellerin und unserer Stadt ist viel länger, denn, wie sie selbst sagte, „zog sie schon immer große Bahnen um das Planet Wrocław”. Zum ersten Mal war sie hier in den 1960 Jahren, als 6-jähriges Kind. Tief bewegt war sie damals durch die erschreckende Leere, die, wie ihre Mutter erklärte, die Folge der Kriegszerstörungen war.
Ihr Schicksal – Literatur
Es war Prosa, die zur „Kronwaffe” von Olga Tokarczuk wurde. Sie schrieb natürlich auch Gedichte, doch wohl niemals war sie mit der Lyrik so fest verbunden wie mit der Epik.
Ihr Debüt feierte sie 1979 in der Zeitung „Na przełaj”, wo sie ihre ersten Erzählungen unter dem Pseudonym Natasza Borodin veröffentlichte. Ihr erstes Werk war „Die Reise der Buchmenschen”. Es war das Jahr 1993. Ihre Werke veröffentlichte die Schriftstellerin auch in „Mandragora”.
Dann kamen weitere Romane, darunter „E.E.” (1995), „Ur und andere Zeiten” (1996), der Erzählband „Der Schrank” (1997), der Roman „Taghaus, Nachthaus” (1998), „Letzte Geschichten” (2004), „Unrast” (2007) – an denen sie drei Jahre gearbeitet hat. Mehr über die Werke von Olga Tokarczuk finden sie HIER.
Die Werke von Olga Tokarczuk wurden in mehr als 35 Sprachen übersetzt- Sie ist Laureatin von The Man Booker International Prize 2018 für den Roman „Unrast”, zwei Mal bekam sie den Literaturpreis „Nike” für die Werke: „Unrast” und „Die Jakobsbücher” (2015).
Aktivistin
Olga Tokarczuk ist Mitbegründerin des Erzählfestivals, bei dem Autoren von kurzen Literaturformen aus Polen und dem Ausland ihre Werke vorstellen. Sie leitete Workshops für Prosaautoren am Literarisch-Künstlerischen Studium an der Jagiellonenuniversität sowie Workshops für kreatives Schreiben an der Universität von Opole.
Seit 2015 organisiert sie in Nowa Ruda und Umgebung das Festival Berge der Literatur mit Bildungsaktivitäten, Debatten, Konzerten, Podiumsdiskussionen, Vorführungen, Treffen, Treffpunkten mit Literatur von Nowa Ruda, Workshops (Film-, kulinarische und Literaturworkshops) sowie Ausstellungen.
Sie arbeitete mit der Partei der Grünen zusammen und war Redaktionsmitglied in „Krytyka Polityczna”. Sie ist Feministin und unterstützt Aktivitäten für Umweltschutz, Tierschutz und Gleichberechtigung. Sie nimmt an den Gleichberechtigungsparaden teil.